Die Sonne war bereits voll aufgegangen, als wir aufstehen. Der Morgen war so schön, dass wir zum Ausblick links gehen und den Tag mit einer Runde Qigong beginnen. Die Gebirge im Rücken, das komplett mit Wolken verhangene Tal unter uns und ein Adler über uns. Besser geht’s nicht. Um uns herum arbeiten die ersten Frauen in den Hirsefeldern, erste Esel-Karawanen ziehen ins Tal und die Kinder mit weiterem Schulweg laufen durch die Felder.
Heute ist unser zweiter ganzer Tag im Dorf und der erste alleine nur mit dem Guide Sidi Everest. Bhagwan und Luisa brechen gleich auf ins Tal um die Fahrt nach Pokhara anzugehen. Da bleiben wir doch viel lieber hier, als nun 8h Bus zu holpern.
Beim Frühstück erfahren wir, dass es letzte Nacht ein Erdbeben gab. Kerstin und ich schauen uns an und meinen nur, dass wir dann wohl einen guten Schlaf haben. Wir haben nichts mitbekommen und auch sonst ist nichts passiert.
Um 10:00 Uhr ist es nun soweit, das Fotoprojekt soll starten. Zuhause habe ich mir überlegt, dass Kinder es lieben Fotos zu knipsen und dann insbesondere diese auf dem Bildschirm anzuschauen. Und darum hatte ich mir überlegt, ein paar einfache Digitalkameras zu kaufen und damit zu versuchen, auch mit den blinden Kindern in Zusammenarbeit mit sehenden Kinder ein Fotoprojekt zu starten. Gestern hat Bhagwan die Lehrer eingeweiht und diese haben eine Liste erstellt, mit fünf Gruppen zu fünf Kindern für meine fünf Kameras. Vielen lieben Dank an die Avides AG, die mir die Kameras freundlicherweise gespendet hat, nachdem sie von meinem Projekt erfahren hatten.
Der Schultag beginnt immer erst mit der Versammlung aller Kinder, kleiner Leibesübung in Reih und Glied und dem gemeinsamen singen der Nationalhymne. Anschließend stellen ein paar Kinder eine Frage an die Gruppe, die diese beantworten soll. Dies ist ein Teil der Hausaufgaben. Dann geht es in die Klassen und die Lehrer trommeln die fünf Gruppen für das Fotoprojekt zusammen. Kerstin und ich haben uns ausgedacht, dass wir mit dem Thema Tiere beginnen. Nun bekommt jede Gruppe einzeln das Projekt erklärt und eine Einweisung in die Kamera mit Hilfe von Sidi. Die Kinder haben nun bis 15:00 Uhr Zeit, die Fotos in der Gruppe zu machen. Kerstin und ich sind sehr gespannt, ob die Kinder alles verstanden haben und es auch wirklich machen. Sie sind so schüchtern und man weiß immer nicht, ob sie alles verstanden haben. Die Lehrer haben uns versichert, dass sie die Zeit dafür bekommen. Natürlich schauen Kerstin und ich den ganzen Tag, ob wir eine Gruppe mit Kamera sehen, aber leider nein.
Okay, Projekt ist gestartet und nun heißt es „Unsere Schule soll bunter werden“ und so fangen wir an die Fenster und Türen des alten Schulgebäudes anzustreichen. Der Baumeister vom Dienst Rashu drückt uns Farbe und Pinsel in die Hand und zeigt, was welche Farbe erhalten soll und wir machen uns an die Arbeit. Nach guten zwei Stunden ist fast alles fertig und wir dürfen / müssen zum Mittagessen, Sidi hat Fried Rice fertig. Schön in der Sonne mit Blick über den Dorfplatz speisen wir und halten immer wieder Ausschau nach Gruppen mit Fotoapparat. Nichts zu sehen.
Daraufhin genehmigen wir uns erstmal einen Mittagschlaf. Plötzlich Radau und eine Horde Kinder stürmt unsere Honeymoon-Suite im Ersten Stock. Kamera defekt. Erster Gedanke Mist, das kann ich nicht gebrauchen, zweiter Gedanke die Kinder sind unterwegs. Super. Ich schaue mir die Kamera an und muss leider feststellen, dass die Batterien alle sind und ich vergessen habe, neue mitzunehmen. Kerstin springt ein und stellt ihr Handy (und sich) zur Verfügung und jagt mit den Kindern durchs Dorf, von Huhn zu Kuh zu Ziege zu Hund und die Papageien nicht vergessen. Ich fange an alle Kabel zusammenzusuchen und mich bereit zu machen für die Rückkehr der Fotografen-Gruppen.
Und da ist die erste Gruppe auch schon und ich lade die ersten Fotos auf den Rechner, unterteilt nach den Gruppen A-E. Alle sind sie gespannt, wie die Bilder aussehen und die Gruppe mit Kerstin kommt auch gleich. Jetzt wird es eng um mich herum. Natürlich sind nicht nur die Kinder, die in den Fotogruppen unterwegs waren, interessiert sondern auch alle anderen Kinder versammeln sich um mich herum. Schnell habe ich eine große Traube an Kindern vor, neben und über mir. Ich lade die Bilder hoch und zeige sie sofort. Tolle Bilder und viele Bilder. Ich bin begeistert. Die Gruppe mit den erblindeten Kindern hat ganze 70 Fotos geschossen, die anderen Gruppen 41, 40 und 25. Leider konnte eine Gruppe keine Fotos machen, auch nachdem wir sie nochmals losgeschickt haben.
Während ich die Fotos wieder und wieder zeigen darf, steht meine neue Freundin Anju hinter mir und flechtet mir einen Zoff, was besonders Kerstin köstlich amüsiert. Ich spüre, wie ich von Minute zu Minute hübscher werde und die Kinder um mich herum bestätigen, dass ich ramro aussehe und kichern.
Mit Hilfe von Sidi erklären wir den Kindern, dass wir morgen um 10:00 Uhr die Sieger bekannt geben und ich beende den kleinen Kinderauflauf und kann wieder durchatmen.
Später setzen sich Kerstin und ich zusammen und schauen die Fotos an und markieren die schönsten Schnappschüsse. Interessanterweise gibt es auch Interpretationen des Themas, was wir natürlich auch bewerten. Hoffentlich kommen morgen die Batterien an, damit wir einen nächsten Projekttag starten können.
Auch Kerstin hat eine neue Freundin. Monissa aus dem Blindenheim. Sie hat ihr versprochen abends vorbei zu schauen und so verbringt sie die Zeit bis zum Abendessen mit den Kindern im Blindenheim. Die können erstaunlich gut Englisch und gemeinsam wird gespielt und gesungen.
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