Für viele die erste Nahrung nach vier Tagen

Heute Morgen waren wir bereits um kurz nach sechs alle auf den Beinen. Gokul und Prakriti waren ohne Unterbrechung am telefonieren und koordinieren – den Jeep, die Medikamente, die Freiwilligen, die Lebensmittel. Alles musste irgendwie organisiert werden. Und da haben die beiden wirklich innerhalb von nur wenigen Stunden unglaubliches bewegt. Denn Lebensmittel, Transport, Medikamente und vor allem Wasseraufbereitungs-Tabletten sind in Kathmandu nicht mehr zu bekommen. Im Regen und im Morgengrauen haben wir dann den Jeep mit circa 30 Säcken „beaten Rice“, so eine Art Trocken-Reis, den man nicht mehr kochen muss, jede Menge Kekse, Instant Nudeln und anderen Lebensmitteln beladen. Und dann ging es los nach Sindhupalchok.

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Unterwegs sind noch eine Medizinstudentin, ein Partner von Gokul, ein Student, und noch ein paar andere Freiwillige zu uns gestoßen. An einer Straßenecke wurden uns wie verabredet 6000 Wasseraufbereitungspillen gebracht, die Prakriti gestern organisiert hatte.  Bei einem Cousin, der ein kleines Ladengeschäft für Düngemittel hat, haben wir jede Menge Plastikfolien dazu geladen, die er für uns gestern irgendwie aufgetrieben hatte. Wir warten an einer weiteren Straßenecke, es taucht ein Taxi auf und ein neuer Karton wird auf die Ladefläche gereicht, voll von Medikamenten und Elektrolyten.

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Alle arbeiten Hand in Hand, um diesen Trip in die Dörfer der am stärksten vom Erdbeben betroffenen Region möglich zu machen – Sindhupalchok. Als wir endlich alles beisammen haben, quetschen wir uns mit den ganzen Hilfsgütern und elf Leuten in den Jeep. Es ist nicht daran zu denken mit dem Scooter zu fahren, denn es regnet ununterbrochen und die Straßen sind schlammig. Wir fahren durch die Straßen und sehen schnell die ersten zerstörten Häuser, Suchtrupps, und Menschen die im Regen immer noch im Freien kampieren… Wir sind alle sehr betroffen, und wissen nicht, was uns erwartet, wenn wir erst mal aus der Stadt raus sind und die Dorf Region erreicht haben. Immer weiter dringen wir vor und sehen immer mehr zerstörte Häuser. Teilweise sind es einfache Lehmbauten von denen nicht viel stehen geblieben ist. Auf dem Weg begegnen uns Menschentrauben, die versuchen den Jeep zum Anhalten zu bringen und an die Hilfsgüter zu kommen. Diese Menschen sind verzweifelt und haben seit Tagen nichts mehr gegessen, geschweige denn eine Hilfsorganisation bisher zu Gesicht bekommen. Wir schaffen es irgendwie durch die Menschentraube hindurch zu fahren, ohne direkt im ersten Dorf ausgeraubt zu werden. Unsere Hilfsgüter sind für die Dörfer weiter im Hinterland bestimmt. Nach wenigen Metern aber entscheiden wir uns anders. Wir halten an und verteilen etwas von den Nahrungsmitteln. Diese Menschen sind eben auch in Not! Wir müssen aufpassen, dass wir nicht überrannt werden. Wie aus dem Nichts tauchen von überall Menschen auf, die Hunger haben. Und Menschen die seit Tagen nichts mehr gegessen haben und so verzweifelt sind, sind zu allem bereit. Das wissen wir, dementsprechend gehen wir mit Bedacht vor. Wir schaffen es, dass die Menschen sich ganz ordentlich in Reih und Glied vor unserem Jeep aufstellen und von der Ladefläche heraus verteilen wir an jeden drei Hände voll von dem Reis und eine Packung Kekse. Der Reis wird in Pullover, Hemden, umhänge Tücher geschüttet…

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Wir fahren weiter. Sehen unterwegs mehr zerstörte Häuser, Erdrutsche, und über all Menschen die hilflos vor ihren zusammengebrochenen Häusern sitzen.

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Gegen Mittag erreichen wir das Dorf, indem Gokul und Prakriti noch einen Tag vor dem Erdbeben herzlich bewirtet wurden. Auch hier verteilen wir den Reis und die andern Lebensmittel direkt aus dem Jeep heraus. Auch eine kleine Erste Hilfe Station eröffnen wir, in der wir Medikamente austeilen und kleinere Wunden verbinden. Das macht die Medizinstudentin hervorragend.

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Dann bilden wir ein Komitee von sieben Dorfbewohnern, denen wir weitere Säcke in ihre Obhut geben. Diese Nahrung ist für die Menschen in den umliegenden Dörfern bestimmt, die nur zu Fuß zu erreichen sind. Nachdem alle versorgt sind, besuchen wir noch die Hausruine des Dorfältesten. Seine Kuh liegt im Sterben. Denn der Stall ist über ihr zusammen gekracht. Das Tier leidet fürchterlich, man sieht es. Aber eine Kuh zu töten ist in der hinduistischen Religion ein Tabu. Und so wartet man ab, bis das Tier elendig krepiert.

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Auch die Näherinnen von SHAKTI MILAN BAGS wollen unterstützen und so haben wir kurzerhand aus Reissäcken keine Taschen genäht sondern Planen. Diese Planen konnten wir nun nutzen um die minimalistischen Unterschlüpfe der Menschen ein wenig zu bedecken.

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Als wir abreisen, bekommen wir noch Tee angeboten. Es ist mir unangenehm von diesen Menschen, die gar nichts mehr haben,  auch noch Tee anzunehmen. Aber das sind die Regeln der Gastfreundschaft. Wir sind schon zur Abfahrt wieder in den Jeep geklettert, als wir anfangen die mitgebrachten Plastikfolien und einige Kleidungsstücke noch zu verteilen. Die ruhige und gelassene Stimmung ändert sich schlagartig und es wird erbittert um Kleidung und Plastikfolien gekämpft. Wir geben, was wir können und dann geben wir Gas, um der Menschenmenge zu entkommen.

Auf dem Rückweg kommen uns weitere Hilfstransporte und Rettungsteams entgegen. Wir waren die ersten, die in diese Dörfer vorgedrungen sind, aber jetzt langsam setzt sich die Welle der Hilfsdienstleistungen in Bewegung und kommt auch in den abgelegenen Dörfern an. Auch sind jede Menge Journalisten unterwegs, die nach Bildern und Storys suchen.Gokul und ich geben dem italienischen Sender TG2 ein Interview (ab Minute 2:25, leider ohne Interview)

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Und Erdbebentouristen. Einige sind in kleinen Mini Bussen unterwegs um wie im Safaripark die zerstörten Gebäude und das Leid der Menschen zu betrachten. Was für ein Tag!

Zwischen Hinduismus und Buddhismus

Heute hatten wir Sprachkurs. Und ich habe keine Ahnung wie ich jemals ein paar Worte in dieser Sprache behalten soll. Aber wir können in unseren Gastfamilien viel üben, denn z.B. Gokuls Mutter spricht kein Wort Englisch.

Am Nachmittag stand Sightseeing in Kathmandu auf dem Programm. Gemeinsam mit ? und 3 anderen Volunteers sind wir mit dem Bus in die Stadt und sind in die beiden Welten des Hinduismus und Buddhismus eingetaucht.

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Zuerst ging es nach Pashupati Mandir.

Das ist die heiligste Stätte der nepalesischenShaivas (Shiva-Anhänger) und hat sich ausserdem zur wichtigsten heiligen Stätte des Landes für alle Hindus entwickelt.

Wie viele nepalesische Tempel, ist er nur für Hindus zugänglich.

Im Anschluss haben wir ein Altersheim besucht, dass auch auf dem Tempelgelände liegt und von Karmalaya unterstützt wird. Obwohl es natürlich ganz anders aussieht gab es aber ähnliche Muster wie in Deutschland auch. Die Alten sitzen und freuen sich über jeden Besuch. Aber eigentlich warten sie alle gemeinsam auf den Tod.

Die Toten werden direkt in Pashupatinath hinter dem Heim am Fluss verbrannt. Dafür wird ständig Holz gesammelt und gespendet.

Am Fluss, der am Ende in den Ganges führt, finden öffentliche Leichenverbrennungen statt. Hier zu sterben und verbrannt zu werden ist das höchste aller religiösen Verdienste und garantiert praktisch die Befreiung aus dem Zyklus von Wiedergeburten. Dieser Ort ist vergleichbar mit dem Indischen Varanasi.

Auf einer Brücke zu stehen und die Leichen zu sehen, auf Bahren am Ufer, aufgebahrt auf dem Scheiterhaufen oder halbverbrannt ist schon ein sonderbares Gefühl.

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Sadhus mit ihren typischen Dreadlocks sind an allen Hindu-Tempeln zu finden.

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Und dann ging es weiter mit einem Ausflug in die Buddhistische Welt. Auf dem Weg zur Boudha stupa hatten wir noch ein bisschen Spaß beim Schaukeln. Da im Moment das Dashain Fest gefeiert wird, bringt es Glück, wenn man mal ein bisschen abhebt und die Füsse von der Erde löst. Das kann man am Besten beim Schaukeln. Dafür haben die Nepalesen tolle Konstruktionen aus Bambus gebaut, die wirklich hohes Schaukeln ermöglichen, was richtig Spass macht.

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Auch jede Menge Ziegen haben wir auf dem Weg gesehen. Allerdings mit gemischten Gefühlen, denn die Meisten von ihnen werden den morgigen Tag nicht überleben. Sie werden in Zeremonien zu Hause geschlachtet und geopfert. Gut, dass sie das heute noch nicht wissen.

Stupa von Boudha

Der große weisse Stupa von Boudha ist das heilige Herz der blühenden tibetischen buddhistischen Gemeinde. Seit 1959 ist Boudha die zentrale Pilgerstätte aller Exiltibeter in Nepal. Die Stupa ist wunderschön und an dem Ort kann man sich gut aufhalten. Man läuft praktisch immer im Kreis um die Stupa. Wir haben in einem Restaurant mit tollem Blick auf die Stupa erst mal Pause gemacht und zu Abend gegessen.

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Danach waren wir platt und sind mit Bollywood Musik im Bus nach Hause gefahren. Bin mal gespannt, wie lange ich brauche, bis ich alleine Bus fahren kann. Es gibt hier keine Haltestellen. Man steht an der Straße, die Busse fahren vorbei. Ein Ticketverkäufer lehnt sich während der Fahrt aus der Tür und brüllt die Route des Busses. Natürlich in Nepali. Wenn man dann mit will, dann hält man den Bus an und springt auf. Stehen bleibt er selten, aber zum Aufsteigen wird er langsamer.

Auch heute haben wir wieder viel erlebt. Morgen beginnt der Tag im Tempel mit einer Zeremonie und Nachmittags kochen wir Momos.