Ein Jahr nach dem Erdbeben in Nepal

Ich bin zurück in Nepal um gemeinsam mit dem Team unser soziales Projekt Shakti Milan Nepal (www.shakti-milan.com) weiter zu entwickeln, dass wir zur Unterstützung benachteiligter Frauen gegründet haben. Der Flieger landet fast genau ein Jahr nach dem großen Erdbeben am 25. April 2015 in Kathmandu. Damals, während des Bebens, war ich auch in Nepal. Habe die Katastrophe gemeinsam mit den Nepalesen erlebt und durchlitten und bin dann noch geblieben um vor Ort zu helfen, mit Spenden aus dem Deutschen Freundes- und Bekanntenkreis. Bedrückt, traurig und zutiefst verunsichert habe ich vor knapp einem Jahr das Land verlassen. Jetzt bin ich freudig erregt als wir uns nach der Ankunft am Flughafen durch den dichten Straßenverkehr der Großstadt kämpfen.

Was hat sich verändert seitdem? Welche Spuren hat die Naturkatastrophe hinterlassen, die ca. 9.000 Todesopfer gefordert hat?

Wir gehen auf Entdeckungsreise. Auf dem Weg zum Augentempel Boudha, einem der Wahrzeichen der Stadt, fahren wir an riesigen Zeltstädten des chinesischen Roten Kreuz vorbei. Auch ein Jahr nach dem Beben leben viele Menschen auf der Straße ohne ein festes Dach über dem Kopf. Die Regierung ist schwach und trotz enormer Spendengelder, die ins Land geflossen sind, ist unglaublich wenig passiert. Es werden Schäden offiziell begutachtet und dann wird der Zustand des Gebäudes auf einem Stück Papier eingetragen und auf die Außenwand geklebt. Wann Geld zur Renovierung oder Wiederaufbau ausgezahlt wird, bleibt weiterhin unklar.

Die Bevölkerung ist auf sich allein gestellt, die vorhandenen Gelder werden zweckentfremdet für politische Machtspiele, wie uns unsere Freunde in Kathmandu berichten. Das macht wütend!

Als wir den Augentempel erreichen sind wir erschüttert. Das Wahrzeichen, die Spitze der Stupa mit dem Buddhistischen Symbol der Augen existiert nicht mehr. Die Stupa ist komplett eingerüstet und wird gerade wieder aufgebaut. An Anziehungskraft hat dieser Ort aber nichts eingebüßt. In Scharen pilgern die Buddhisten, vor allem Tibeter, um das Heiligtum und sprechen dabei ihre Gebete.

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Der Wiederaufbau ist das bestimmende Thema in Kathmandu. Überall wird gebaut, geräumt, gewerkelt. Und das mit Werkzeugen und Methoden aus dem Mittelalter. Es ist unglaublich, mit welchen einfachen Mitteln die Menschen hier ihre Häuser und Straßen bauen. Im ganzen Kathmandu-Tal werden Lehmziegel gebrannt, teilweise auf selbstgezimmerten Öfen. Vor unserem Haus beobachten wir einen Straßenbau Trupp. Da wird erst ein riesiger Haufen Holz angeschleppt, große Löcher gegraben und darin ein Feuer entzündet und anschließend mit Erde abgedeckt und Teerfässer eingelassen. Durch das Feuer wird der Teer erwärmt, der dann ständig umgegossen und von den Arbeitern auf die Straße gepinselt wird. Morgens um 4:50 Uhr fangen sie an und arbeiten den ganzen Tag in glühender Hitze bis nach 24 Uhr.

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Aber auch einige UNESCO Denkmäler in Bhaktapur sind schwer beschädigt und nach einem Jahr viele immer noch einsturzgefährdet. Als wir die alte Newar-Stadt besuchen, können wir sehen, wie detailgetreu wieder aufgebaut wird, aber auch wie langsam. Arbeiter sehen wir nur an einem kleinen Tempel.

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Aber nicht nur Arbeitstechnik und Werkzeug sind eine Herausforderung in Nepal. Auch die Baustoffe sind schlecht. Zement und Beton zum Hausbau wird aus Indien oder China importiert und hat oft das Haltbarkeitsdatum schon überschritten, wenn er in Nepal ankommt, nach einer unsachgemäßen Lagerung und der üblichen Korruption auf dem Bau, wundert man sich eigentlich eher, dass noch so viele Häuser das Erdbeben relativ unbeschadet überstanden haben. Auch das Haus indem wir wohnen hat einen breiten Riss in der Außenmauer. Uns wird aber versichert, dass alles ausreichend stabil ist.

Auf unserem Trip nach Nagarkot, einem beliebten Wochenendausflugsziel für Nepalesen und Touristen, mussten wir feststellen, dass viele Hotels auf dem Bergrücken zerstört sind. Gestaunt haben wir nicht schlecht, als wir gemerkt haben, dass das 5 Stöckige Hotel, in dem wir vor dem Beben einmal übernachtet hatten, komplett verschwunden war. Nicht nur beschädigt, nein, komplett weg. Der Manager des Hotels „End of the Universe“ erklärte uns die Umstände. Vor dem Wiederaufbau steht die Entsorgung der Trümmer. Sein eigenes Haupthaus war nicht eingestürzt aber in gefährliche Schieflage geraten. So musste er erst einmal Leute finden, die das Haus abtragen, um dann mit dem Neubau zu beginnen. Er hat sich klar für einen nachhaltigen Wiederaufbau entschieden. Wie viele andere Nepalesen auch. Sie planen jetzt niedriggeschossig, verarbeiten viel Stahl und experimentieren mit anderen erdbebensicheren Konstruktionen. Das ist schlau, denn nach Expertenschätzungen stehen weitere massive Beben bevor.

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Der ganze Wiederaufbau scheint gerade vor ein paar Wochen erst richtig begonnen zu haben. Monatelang war die Grenze zu Indien blockiert und damit sind keinerlei Waren ins Land gekommen. Kein Gas, kein Benzin und auch keine Baumaterialien. Seit kurzem ist die Blockade nun beendet und so langsam normalisiert sich die Versorgungslage wieder. Viel Zeit für all die Bauprojekte bleibt nicht mehr. In einem Monat beginnt die Regenzeit. Was bis dahin nicht fertiggestellt ist, läuft Gefahr durch die Regenfluten und die häufigen Erdrutsche wieder zerstört zu werden. Über der Stadt liegt eine unglaubliche Smog-Wolke. Schlechte Luft und getrübte Sicht sind normal für diese Jahreszeit, aber durch die Baumaßnahmen überall im Land ist es in diesem Jahr besonders schlimm.

Nach den ersten Soforthilfemaßnahmen direkt nach dem Beben und neben gezielter Einzelfallhilfe haben wir die mit unserer Aktion „We are Nepal“ (www.we-are-nepal.org) gesammelten Spendengelder vor Allem für die Trauma-Bewältigung von Kindern verwendet. Bei unserem Besuch jetzt wollen wir natürlich auch vor Ort sehen, wie sich dieses Hilfs-Projekt, das wir gemeinsam mit unserer Partnerorganisation ACCESS durchführen, entwickelt hat. Im Laufe der letzten Monate wurde hierfür ein Team zusammengestellt und ausgebildet und ein Workshop zur Identifizierung von traumatisierten Kindern entwickelt, der regelmäßig an Schulen in den besonders stark vom Beben betroffenen ländlichen Regionen durchgeführt wird. Die Kinder, die hierbei als auffällig und verstört erkannt werden, erhalten weitergehende individuelle Behandlungen. Eines dieser Kinder ist gerade mit seiner Mutter zur Nachuntersuchung in Kathmandu und wir können uns selbst ein Bild machen wie sorgfältig und nachhaltig dieses Projekt aufgesetzt wurde und betreut wird. Und auch bei einem Besuch im Übergangsheim für Kinderarbeiter, das ebenfalls von ACCESS geführt wird, erleben wir, wie sehr das Erdbeben die Kinder in ihren Grundfesten erschüttert hat und immer noch Thema ist.

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Neben unserem Einsatz für Shakti Milan Nepal, mit dem wir Frauen einen Weg in die Unabhängigkeit ermöglichen, werden wir ACCESS und die Trauma-Bewältigung bei Kindern auf jeden Fall weiterhin unterstützen. Nepal: wir kommen wieder!

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Kerstin & Oliver Prothmann

 

 

Kultur und Business im Wechsel

Chancen auf dem US Markt

Heute treffen wir uns mit Mac, der auch gerade in Kathmandu ist. Den Kontakt hat eine liebe Freundin aus Berlin hergestellt. Mac exportiert seit über 30 Jahren Handwerkskunst aus Tibet und Nepal in die USA und verkauft es dort im grossen Stil auf Märkten, auf einer Online-Plattform und über Katalog. Ein Profi, der sich bestens auskennt. Wir sind gespannt ihn zu treffen. Da er sehr beschäftigt ist, fahren wir zu ihm nach Patan. Das ist eine Nachbarstadt von Kathmandu und das Zentrum aller Botschaften, NGOs und INGOs. Hier ist es viel sauberer als in Kathmandu, das STrassenbild oft geprägt von Jeeps verschiedener Hilfsorganisationen und das Angebot an Bars- und Restaurants sehr westlich geprägt. Wir sind sehr selten hier und staunen jedes mal. Mittlerweile sind wir ganz selbstverständlich mit dem Roller von Prakriti unterwegs. Oliver kommt gut mit dem Rechtsverkehr und den Schlaglöchern zurecht und drängelt und schlängelt sich durch das Strassenchaos ganz wie ein echter Nepali.

In Patan angekommen, breiten wir unsere ganze Shakti Milan Palette in Piano, einem Italienischen Restaurant, auf der Dachterrasse aus. Die Klassiker, unsere City Bag, genauso wie die neuen Prototypen. Super gespannt erwarten wir Mac.

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Mac ist ein super sympathischer und entspannter Geschäftsmann. Mehrmals im Jahr verschickt er Container mit Waren aus Nepal in die USA um sie dort zu vertreiben. Das Leid der Transportkosten können wir bereits mit ihm teilen. Er erklärt uns seine ganze Lieferkette und wer alles etwas vom Kuchen abhaben will, bis das Endprodukt dann verkauft ist. Ja, das kommt uns bekannt vor, deshalb verkaufen wir ja auch am liebsten direkt an den Endkunden. Aber mittlerweile haben wir eine gut laufende Produktion, die locker 300 Taschen pro Monat schafft und da müssen wir uns nach Vertriebspartnern umsehen, die auch gewissen Mengen abnehmen können, damit wir unseren Ladies eine Beschäftigungssicherheit bieten können. Mac wäre ein Glücksfall für uns, auch wenn wir beim Preis einige Kompromisse eingehen müssen.

Gespannt wie ein Flitzebogen sind wir, ob ihm unsere Produkte wohl gefallen und in sein Sortiment passen. JA! Er ist begeistert. Lobt die Produkte und die Verarbeitung. Hat hier und da noch ein paar Anmerkungen aber unterm Strich ist alle gut. Wir beschliessen, dass wir es gerne auf einen Versuch ankommen lassen wollen und eine kleine Charge nach seinen Wünschen produzieren, die dann als Test auf dem US Markt landen. WOW!

Als nächstes schickt uns Mac seine Designerin, die sich unsere Produktion anschaut und bestimmte Änderungswünsche hat. Und gemeinsam mit ihr kommt auch seine Qualitäts-Managerin. Sie wird alles inspizieren und ihm dann einen Report schicken. Jetzt heisst es Daumen drücken, dass wir den Qualitäts-Check gut bestehen und uns auch über Preis und Konditionen einig werden. Bitte alle mithelfen. Wir berichten dann, wie die Geschichte weitergeht.

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Das liebe Essen….

Oliver: Wer mich kennt, der weiß, dass ich gerne esse. Nur bei 32°C im Schatten kann ich auch gerne mal auf das Mittagessen verzichten und abends lecker essen. Das habe ich nun heute Mittag allen betroffenen und nicht-betroffenen Mitgliedern der Gastfamilie mitgeteilt und versucht klarzumachen, dass es mir gut geht und ich nur kein Mittagessen wünsche. Selbst beim rausgehen habe ich die x-te Rückfrage nochmals bestätigt, dass ich aktuell weder Reis noch Tee benötige. Es sind schließlich 32°C. Ca eine Stunde später steht plötzlich Prakriti neben mir und bietet mir eine Nudelsuppe mit den Worten an, dass ich doch was essen müsste und Kerstin hat schliesslich auch eine Nudelsuppe gegessen. I like Nepal.

Apropos essen. Essen in Nepal bedeutet Reis mit Linsen, was hier Dal Baht heißt. Da ich zusätzlich auch noch in einem Vegetarier Haushalt bin, gibt es hier ausschließlich Reis mit Linsen. Aber es gibt Beilagen. Kartoffeln. Wozu brauche ich Kartoffeln, wenn ich Reis habe? Sei ruhig und iss. I like Nepal.

Zu den guten Sitten in Nepal gehört es, dass man gerne einen Nachschlag nimmt. Nun habe ich selten ein Problem damit einen Nachschlag zu nehmen, doch wenn man bereits den Teller mit Reis und Linsen und eben Kartoffeln hoch wie den Himalaya gefüllt hat, fällt es auch mir schwer, einen weiteren Löffel von jedem dazu zunehmen. Doch Ama, die Mutter von Gokul und Herrin der Küche, lässt natürlich nicht locker und so gibt es noch einen Löffel Reis und etwas Linsen, ach ja Kartoffeln gibt’s auch noch. I like Nepal.

Dass meine Essensverweigerung auch noch am nächsten Tag Thema sein wird, hätte ich nicht gedacht. Aber bereits zum Frühstück kommen wir wieder auf das Thema und Gokul möchte sichergehen, dass ich heute was esse. Da ich plane mit Krishna in die Stadt zu einem Festival zu fahren, werden mir bereits jetzt MoMos (eine Art Nepalesische Maultaschen) versprochen. In der Stadt hat mir Krishna dann einen Geheimtipp für MoMos gezeigt und ich habe sehr leckere MoMos gegessen. Um alle Gemüter zu beruhigen habe ich ein Selfie per FB Messenger in die Runde geschickt und alles ist wieder gut. I like Nepal.

Da ich, ehrlich gesagt, die ganze Aufregung nicht verstehe (tut mir sicherlich auch mal gut eine Mahlzeit auszulassen), erklärt mir Kerstin, woher die Aufregung kommt. Als ausländischer Gast bin ich hier das wichtigste Gut im Haushalt. In der Kultur der Nepalesen ist Essen wesentlich, wenn nicht sogar heilig. Das ich nicht zu Mittag gegessen habe, war also ein kultureller Fauxpas. Es gibt nur eine Ausnahme und das ist die Gesundheit. Da alle Nepalesen wissen, dass wir Bleichgesichter manchmal mit den Speisen magentechnisch nicht klarkommen, kann man dann eine Ausnahme machen, da die Gesundheit wohl über dem Essen steht. Dieser Grund darf auch als Ausrede benutzt werden. I like Nepal.


Pooja in Pashupatinath

Heute Nachmittag gibt es Kultur. Gokul, sein Freund Raj, Krishna, Kerstin und ich fahren mit den Motorrädern zuerst zur Augentempel-Stupa. Auf dem Weg zur Stupa sehen wir die auch ein Jahr nach dem Erdbeben noch existierenden Zeltlager der Obdachlosen. Am 25. April jährt sich dieses fürchterliche Ereignis zum ersten Mal und ich werde sicherlich noch dazu berichten.

Angekommen an diesem besonderen Platz mit dem buddhistischen Heiligtum in der Mitte und den unzähligen Hotels und Geschäften im Ronell um die Stupa herum, erkennt man schnell, dass dies ein Magnet für Nepalis, Mönche und Touristen ist., aber vor allem für die Tibetische-Gemeinschaft ausserhalb Tibets. Alle Menschen gehen im Uhrzeigersinn um die Stupa herum. Mindestens 1 Mal. Und nie eine gerade Anzahl an Runden. Dabei halten sie ihre Gebetsketen (Malas) in den Händen und beten vor sich hin.

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Auch dieses Heiligtum hat Schaden durch das Erdbeben genommen. Die Spitze der der riesigen Kuppel und die charakteristischen Augen wurden beschädigt, danach entfernt und jetzt komplett erneuert.

Nach dem buddhistischen Heiligtum fahren wir danach zum hinduistischen Heiligtum. Einer der stimmungsvollsten Orte in Kathmandu ist für mich Pasupatinath. Bereits bei unserer ersten Reise vor über einem Jahr haben wir diese „Begräbnisstätte“ besucht. Für einen Hindu gibt es nichts Erfüllenderes, als hier nach dem Tot verabschiedet, verbrannt und im Fluß als Asche auf den Weg ins Jenseits gebracht zu werden. Zum Glück gab es hier nur wenig Schäden durch das Erdbeben. Heute Abend gibt es eine besondere Zeremonie, an der wir teilnehmen wollen. Kerstin, etwas Abseits sitzend und die Stimmung mit der Musik und den Farben genießend, und ich mit der Kamera in der Hand direkt um das Geschehen herumspringend, um möglichst stimmungsvolle Bilder zu knipsen. Immer wieder einen Abend wert.


Einführung in Nepals High Society

Bei unserem Termin in der Deutschen Botschaft haben wir einen Kontakt zu einem Österreichischen Geschäftsmann bekommen, der in Nepal einen Deutsch-Nepalesischen Unternehmer-Stammtisch organisiert. Das klingt spannend. Also haben wir ihn angeschrieben und auf ein Bier eingeladen um von ihm mehr darüber zu erfahren, wie der Hase so in Nepal läuft und wie wir hier erfolgreich sein können. Er antwortet sofort und lädt uns zum Treffen in sein Familien-Restaurant nach Patan ein.

So langsam lernen wir, dass Patan, Kathmandus kleine Nachbarstadt, auch für uns wichtig ist.

Wir sind sofort per Du. Herbert. Er ist super nett, sehr offen und wir trinken erst einmal einen vorzüglichen Wein in seinem Restaurant. Hier ist es wie in Italien oder wie im Molinari in Berlin. Ein Treffpunkt von Familie, Freunden und Geschäftspartnern. Wir sitzen mit am grossen Familien-Tisch im Restaurant und lernen so auch seine Nepalesische Familie kennen. Alle gut ausgebildet, sehr freundlich und international erfahren. Deutsch sprechen sie zwar nicht, verstehen aber jedes Wort.

Und da gerade an diesem Tag das Nepalesische Neujahrsfest gefeiert wird, kommt eine Lokalprominenz nach der anderen in das Restaurant. Herbert kennt und begrüsst sie alle. Eine der reichsten Familien Nepals (so klärt uns Herbert auf) kommt spontan zum Abendessen vorbei. Das ist für uns eine ganz neue Welt. Die Welt der Upper-Class in Nepal haben wir bisher noch nicht erlebt. Wir waren in den Dörfern unterwegs, haben in Hütten Reis über dem offenen Feuer gekocht und unter einfachsten Bedingungen gelebt. Auch kennen wir den gehobenen Lebensstandard unserer Gastfamilie hier in Kathmandu. Aber das ist hier ist neu für uns. Wir gucken und staunen. Lauschen den Geschichten von Herbert und freuen uns darüber, dass auch hier unsere Taschen auf Begeisterung stoßen. Vielleicht schaffen wir es sogar ein paar Exemplare auf dem lokalen Markt zu vertreiben und damit die horrenden Transportkosten noch Deutschland zu sparen. Wir werden auf jeden Fall noch einmal wieder kommen, in dieses besondere Restaurant.


 

Morgen verlassen wir wieder unsere Heimat in Nepal und fliegen zurück nach Berlin. Es gibt noch einige Geschichten zu erzählen, was wir dann in den nächsten Wochen nachholen werden.

Namaste!

 

Politik, Produktentwicklung und Mitarbeiterführung

Der Sommer kommt und es wird jeden Tag wärmer in Kathmandu. Das ist super, denn dann ist duschen mit kaltem Wasser auch ganz angenehm. Tagsüber ist es jetzt fast unerträglich heiss und eine dicke Smog- und Staub-Wolke liegt über der Stadt, die sich auch erst nach der Regenzeit wieder auflösen wird. Wir nutzen die Morgenstunden im Schatten und die kurze Zeit mit Strom und WLAN um unsere Bilder hochzuladen und uns mit der Welt zu verbinden. Danach geht es zu Shakti-Milan wo wir jeden Tag neue Produkte ausprobieren, diskutieren, anpassen, weiterentwickeln oder auch verwerfen.

Video von unserer Begrüßung: https://www.youtube.com/watch?v=yk0b6bOAY00

An Ideen mangelt es uns nicht und wir müssen stark aufpassen, dass wir uns nicht verzetteln. Es gibt so viele Möglichkeiten und jeden Tag bekommen wir aus dem Netzwerk von Freunden und Bekannten noch einige dazu. Vielen Dank für Euer Feedback und die vielen Anregungen an dieser Stelle.

Mittlerweile haben wir auch noch einiges an Hintergrundgeschichten erfahren, die Gokul und Prakriti sich aufgespart hatten um sie uns persönlich zu erzählen.

 

Leiser Abschied von Mahendra und Kalpana

Eine davon ist die Geschichte von Mahendra und Kalpana, die uns leider verlassen haben. Das Ehepaar aus der Kaste der Unberührbaren, war kurz vor dem Erdbeben im letzten Jahr zu uns gestossen, nachdem sie durch einen Brand in ihrem Dorf alles verloren hatten. Sie haben sich beide in den letzten Monaten prima entwickelt. Mahendra konnte alle Taschen nähen und wir haben ihn auch für die schwierigste -die Laptoptasche– ausgebildet.

Beide waren clever, fleissig und gut im Team integriert. Eigentlich eine Erfolgsstory. Und von einem auf den anderen Tag sind sie dann nicht mehr zur Arbeit gekommen. Auch waren sie nicht mehr zu erreichen. Prakriti hat tagelang versucht sie ausfindig zu machen, wie zuletzt nach dem Erdbeben, als wir schon befürchtet hatten, dass sie zu den Opfern gehörten. Irgendwann hat Prakriti dann doch mit Kalpana sprechen können. Ihr Mann, so berichtete sie, sei in die Golfstaaten unterwegs und sie könne als Frau nicht allein in Kathmandu bleiben und sei auf dem Weg zurück in ihr Dorf. Das ist ein trauriger Klassiker in Nepal. In der Hoffnung auf einen guten Verdienst, der die Familie ernähren kann, verlassen jedes Jahr tausende Nepalesen ihr Land um im Ausland, zumeist in den Golfstaaten, zu arbeiten. Dabei wandeln sie auf einem sehr schmalen Grad zwischen Menschenhandel und Gastarbeitertum.

Dabei dienen die Gelder in erster Linie dem Lebensunterhalt der in Nepal verbliebenen Familien. Wachstum und Investitionen sind damit nicht zu erreichen.

Wir wünschen Mahendra und Kalpana viel Glück und Erfolg und hätten wir von ihren Plänen gewusst, dann hätte es auch eine ordentliche Abschiedsparty gegeben.

 

Besuch in der Deutschen Botschaft

Heute sind wir aufgeregt, denn wir haben einen offiziellen Termin in der Deutschen Botschaft mit Dirk Steffes-enn, Erster Sekretär der Deutschen Botschaft in Kathmandu und verantwortlich für Entwicklungsprojekte und NGOs.

Schon gestern abend haben wir uns auf diesen Termin vorbereitet. Zu viert auf dem Bett, mit Laptop und Büchlein haben wir uns überlegt, was wir vermitteln und was wir aus diesem Termin mitnehmen möchten, die Sprechrollen verteilt und die Zahlen, Daten und Fakten geübt. Und natürlich die wichtigste aller Fragen diskutiert: „Was ziehen wir an?“

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Geschniegelt und gestriegelt machen wir uns mit den Scootern auf den Weg zur Botschaft. Noch einmal kurz aufs Dach und Foto machen, weil wir ja gerde alle zu repräsentabel aussehen. Dann noch ein kurzer Abstecher zu Shakti Milan, denn dort liegen noch die Visitenkarten… Die Zeit wird allmählich knapp. Gokul eruiert noch einmal, ob die angegebene Uhrzeit für den Termin einen Spielraum beinhaltet. Nein, sagt Oliver. Die Botschaft befindet sich sozusagen in Deutschland und da wird erwartet, dass wir pünktlich sind. Naja, am Eingangstor der Botschaft waren wir immerhin um punkt 13 Uhr. Dass es so lange gedauert hat, bis wir durch die Sicherheitskontrollen durch waren, dass konnte man nun wirklich nicht ahnen ;-)).

Der Termin läuft gut. Herr Steffes-enn ist super nett und wir bekommen die Gelegenheit Shakti Milan, unsere Vision und unsere Pläne vorzustellen. Dazu erhalten wir noch einige weitere Kontakte, die wir in den nächsten Tagen angehen und viele interessante Einblicke in die Deutsch-Nepalesische Zusammenarbeit hier im Lande. Mehr als 130 Deutsche NGOs sind der Botschaft bekannt, die in Nepal Entwicklungshilfe leisten. Direkt nach uns werden die Zahnärzte ohne Grenzen in der Botschaft vorstellig, die gerade Schwierigkeiten haben ihre Ausrüstung durch den Zoll zu bekommen.

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Das Gruppenfoto, was wir zum Abschied vor der Botschaft machen, ist der Renner in Nepal. Gokul teilt es direkt auf Facebook und bekommt hunderte von Likes aus seinem Netzwerk. Die Gelegenheit in die Deutsche Botschaft zu kommen, haben die meisten Nepalis nur, wenn sie ein Visum beantragen, nicht aber um sich über eine Stunde mit einem Repräsentanten der Botschaft zu unterhalten.

Am Abend trinken wir darauf ein Everest Bier!

 

Arbeitgeberattraktivität in Nepal

In unserem neuen Show-Room steht ein schwarzes Sofa aus Kunstleder. Schön ist es nicht (zumindest für meinen Geschmack) aber eindrucksvoll. Irgendwann frage ich Prakriti, wo wir denn das Sofa herhaben. In unserer Buchführung habe ich diesen Posten nicht gesehen. Auch nicht den schweren Schreibtisch, der im selben Raum steht. Sie grinst mich an, und sagt „it’s my personal investment“. Und damit ist die Sache vom Tisch. Irgendwie finde ich das interessant und will es verstehen. Möbel sind unheimlich teuer in Nepal, das weiss ich.

Ein paar Tage später nehme ich einen neuen Anlauf. „Woher kommen die Möbel?“ Prakriti erklärt es mir. Erst, so sagt sie, wollten sie kein Geld für Möbel ausgeben, aber dann haben wir den Effekt gesehen, den allein das Streichen des Show-Rooms bei den Shakti Milan Ladies hatte. Auf einmal sehen sie uns als ein richtiges Unternehmen, nicht nur ein Raum voller Nähmaschinen. Wir haben einen Nähraum, ein Lager und ein repräsentatives Office / Show-Room. 3 Räume also. Das signalisiert Sicherheit und fördert das Vertrauen in die Zukunftsfähigkeit von Shakti Milan. Das Sofa und der Schreibtisch verstärken diesen psychologischen Effekt. Und die Möglichkeit, Einzelgespräche mit den Team-Mitgliedern zu führen (Prakriti hinterm Schreibtisch und das Team-Mitglied gegenüber auf dem schwarzen Sofa), hat erheblich zur Stabilisierung des Teams beigetragen.

Tja, während wir in Europa gerade hippe Co-Workingspaces auf Augenhöhe einrichten, um Arbeitgeberattraktivität zu fördern, zählen hier noch Hierarchie und Einzelbüro. Zwischen diesen beiden Welten zu pendeln, immer mit dem Ziel etwas zu bewegen und zu erreichen und sich dafür der jeweiligen Kultur anzupassen, das macht mir einen riesen Spass.

 

Besuch im Krankenhaus

Oliver: Ich habe Gokul gebeten mich mitzunehmen, wenn er für die nächste Aktion in dem Erdbebenhilfe-Projekt zur Traumabewältigung bei Kindern unterwegs ist. Viele Kinder mussten während des Erdbebens direkt miterleben, wie Familienmitglieder verschüttet werden und auch starben. Gokul hat mit seiner Organisation Access Nepal eine Initiative ins Leben gerufen, in der Teams ausgebildet werden, die den traumatisierten Kindern helfen können („Post-Disaster Mental Health Support Program“). Mit den Spenden, die wir im letzten Jahr mit unserer Aktion „We are Nepal“ gesammelt haben, unterstützen wir diese Initiative nun schon seit fast einem Jahr.

Nun hatte ich die Möglichkeit den 14jährigen Khum samt Mutter und Cousine und Gokul ins Krankenhaus zur Nachuntersuchung zu begleiten. Khum kommt aus einem Dorf in Sindhupalchok, in dem Kerstin vor einem Jahr nach dem Erdbeben auch Ersthilfe geleistet hat. Bei dem Erdbeben musste er den Tod seiner Großmutter miterleben, nachdem kurz vorher bereits sein Vater verstorben war. Inzwischen wird er dabei begleitet diese Erlebnisse zu verarbeiten. Das Programm hat 18 weitere Kinder vor Ort in der Schule identifiziert und hilft allen.

Bevor man zum Arzt kommt, muss man ein Ticket kaufen. Das „Teaching Hospital“ hat an einem Tag in der Woche „Kindertag“ wo alle Abteilungen zur Behandlung speziell für Kinder geöffnet werden. Das Ticket deckt die Kosten für den Arzt ab und weist einen Termin zu. Wir warten in der Wartehalle knapp über eine Stunde und ich versuche mich mit Khum über allgemeine Dinge zu unterhalten. Er kann ein ganz wenig Englisch und Gokul übersetzt den Rest.

Plötzlich taucht ein Mann auf und es kommt Bewegung in die Gruppe. Gokul geht mit der Mutter, der Cousine und dem Jungen zum Arzt, ich bleibe draußen. Nach wenigen Minuten kommen sie wieder und sind alle zufrieden. Der Junge macht Fortschritte und soll nun zusätzlich zum seinen Medikamenten täglich entspannende Übungen praktizieren. Alle zusammen verlassen wir das Krankenhausgelände um uns zu stärken.

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Direkt vor den Toren des Krankenhauses gehen wir aber zuerst zur Apotheke. Diese hat ungefähr die Größe eines Zeitungskiosks in Deutschland. Hier kauft Gokul die Tabletten und bezahlt. Die Familie selber könnte sich die Tabletten nicht leisten.

Doch nun wollen wir uns stärken und stoßen mit Fanta und einer Portion MoMos auf den glücklichen Moment an.

Überraschung bei Shakti Milan

Freitag, 1. April: Ankunft in Kathmandu und Überraschung bei Shakti Milan: Kein Aprilscherz

Wir haben die Taschen dann doch wieder voll bekommen. Mit über 70 KG Gepäck sind Oliver und ich (Kerstin) gut und sicher in Kathmandu gelandet. Schon im Landeanflug konnten wir sehen, dass jetzt Trockenzeit ist. Die oft so grünen Reisfelder sind größtenteils unbepflanzt und es herrscht Wasserknappheit, insbesondere im Kathmandu-Tal.

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Gokul und Krishna holen uns vom Flughafen ab. Wir bekommen zur Begrüssung jeder den obligatorischen orangenen Blumenkranz umgehängt, den sie auf der Fahrt zum Flughafen am Tempel gekauft haben. Die Freude des Wiedersehens ist schon am Flughafen groß. Dann aber schnell alle Taschen in ein Mini-Taxi reinstopfen und ab nach Hause. Klein Shakti, die neugeborene Tochter von Gokul und Prakriti, ist aufgewacht und erwartet uns. Oliver und ich passen gerade noch ins Taxi, Gokul und Krishna fahren auf dem Scooter zurück. „Du kennst ja den Weg, musst den Taxifahrer anleiten…“ ruft mir Krishna noch beim Abfahren zu, lacht und verschwindet mit dem Scooter um die Ecke.

In den Strassen von Kathmandu wuselt es wie immer. Ich versuche zu erkennen, ob man die Auswirkungen der monatelangen Versorgungs-Blockade direkt erkennen kann. Ist weniger Smog da, weil nicht so viele Fahrzeuge unterwegs waren? Nein, eigentlich nicht. Über der Stadt hängt eine Dunstglocke vom Feinsten und die Berge kann man nicht mal erahnen. An jeder Ecke wird gebaut, erkennen wir vom Taxi aus. Nachdem endlich wieder Waren ins Land kommen, können die Aufbauarbeiten nach den großen Erdbeben im vergangenen Jahr endlich weiter geführt werden. Auch in Kathmandu leben immer noch sehr viele Menschen in Zelten.

Angekommen zu Hause bei Gokul und Prakriti werden wir von allen begrüsst und bekommen unser Willkommens-Tika (ein roter Farbpunkt auf der Stirn, ungünstig, wenn man Pony trägt… hatte ich irgendwie verdrängt). Das Shakti-Baby ist ein echter Wonneproppen. Erst 3 Monate alt und schon an die 7 KG schwer. Und soooo suess!! Deswegen wird sie auch ununterbrochen von einem Familienmitglied durch die Gegend getragen. Alle wollen sie mal auf den Arm nehmen und es wird wohl noch eine Weile dauern, bis ich auch an die Reihe komme. Immerhin schreit sie nicht mehr bei weißen Menschen, seit eine Voluntärin im Hause ist und Little Shakti sich an ein weißes Gesicht gewöhnt hat.

Wir sind eigentlich ziemlich fertig von der Reise und wären gerne nach dem Milchtee zur Begrüssung noch für ein paar Stündchen ins Bett gegangen. Aber die Ladies von Shakti Milan warten auf uns und so geht es gleich weiter mit dem Scooter in unsere kleine Taschenmanufaktur.

Was uns dort erwartet ist echt der Hammer und auch kein Aprilscherz. Alle Damen anwesend. Natürlich werden wir wieder mit orangen Blumenkränzen empfangen. Wir kommen in einen neuen Nähraum, der jetzt ein größerer ist mit hellem Tageslicht und frisch gestrichenen Wänden. Alles super ordentlich und professionell. „Wow, wann seid ihr umgezogen? Habt ihr gar nicht erzählt“, sage ich. Ein Mega-breites Grinsen auf Gokuls und Prakritis Gesicht. „Ja, wir brauchten mehr Platz, aber komm weiter….“ Und dann werden wir in einen weiteren Raum geführt. Unser erster Show-Room. Der Knaller!

Abends erfahre ich von Marlene, der Voluntärin bei uns im Haus, dass sie seit Tagen damit beschäftigt waren diese beiden Räume herzurichten und alle Voluntäre, die das Projekt besuchen wollten auf später vertröstet wurden, da alle vollauf mit den Vorbereitungen für unseren Besuch ausgelastet waren. Ich bekomme Gänsehaut als ich die ganzen neuen Prototypen sehe. So schön dekoriert. So toll verarbeitete Taschen. Alles so liebevoll in Szene gesetzt. Stumm umarme ich Prakriti. Danke sagt man in dieser Kultur nicht. Man denkt es vom Herzen und das Gegenüber spürt es dann. Ich bin unendlich stolz auf dieses Team und was sie in nur ein paar Monaten alles auf die Beine gestellt haben.

Dass es nicht einfach war, das ist uns klar. Welche Hürden sie genommen haben, erfahren wir in Ansätzen beim Milchtee bei Praktitis Eltern und auf dem Weg zurück nach Hause. Wir reden alle wie die Wasserfälle. Dass wir noch längst nicht alles wissen, ist auch klar. Dies ist eine Kultur, in der Zeit unbegrenzt vorhanden ist und nicht linear gemessen wird. Für alles ist der passende Moment und für viele Neuigkeiten muss der passende Moment noch kommen. Für heute haben wir schon sehr sehr viel gesehen und erfahren.

Bei der obligatorischen Baby-Massage am Abend haben Prakriti und ich noch ein bisschen Gelegenheit zum sprechen. Sie berichtet über die schwierige Geburt der kleinen Shakti und die ersten Wochen mit ihr. Kein Wunder, dass sich ab jetzt alles um dieses winzige Geschöpf dreht, nach alldem, was hinter der kleinen Familie liegt.

Samstag: 2. April: Schlafmangel und Besuch

Gestern haben wir trotz Schlafmangel und Jetlag gut durchgehalten. Aber heute hängen wir in den Seilen. Ein spätes Frühstück und danach direkt ein Mittagsschläfchen. Es ist Samstag, der einzige freie Tag in der Woche und wir lassen es langsam angehen.

Am Nachmittag kommt Krishna mit Gisela, einer Urlauberin aus Neuss, vorbei. Wir trinken unseren Milchtee auf der Terrasse, essen ein vorzügliches Dal Baht mit Gemüse-Curry und philosophieren über das Yoga-Center, was Krishna gerade aufbaut und wie wir ihn dabei unterstützen können. Wir bewundern natürlich auch alle neuen Taschen-Typen, die wir gestern aus der Manufaktur mitgenommen haben und beratschlagen, was wohl davon gut ankommt und wo wir noch mal etwas anpassen würden.

Kaum dass sich Krishna und Gisela wieder auf den Rückweg nach Pharping ins Dorf gemacht haben, kommt Kathrin zu Besuch. Was für eine tolle Überraschung! Kathrin habe ich vor genau einem Jahr hier kennen gelernt und seit dem ist sie in Nepal. In der Zwischenzeit hat sie viel erlebt und Unglaubliches auf die Beine gestellt, über das man ganze Bücher schreiben könnte. Wir verbringen einen super netten Abend, essen Reis mit Pommes, bewundern klein Shakti, die glitschig wie ein Fisch ihre Baby-Massage vor dem Heizstrahler geniesst und diskutieren über Märkte, Preise, Labels, Plattformen, Social Media, Reisverschlussköpfe, und vieles mehr.

 

Internet und Strom gibt es in den nächsten Tagen eher wenig, meistens nur Nachts. D.h. wir müssen wieder anfangen alle unsere Geräte strategisch aufzuladen, damit sie bis zum nächsten Strom-Schub durchhalten. Wasser ist im Moment auch Mangelware und Gas und Benzin nach wie vor nur auf dem Schwarzmarkt zu haben. Gut, dass wir die Schlafsäcke dabei haben, denn es ist doch noch relativ kalt hier in Kathmandu.

Aus Spenden-Geld wird Hilfe – Die ersten zwei Initiativen sind angestoßen

Inzwischen ist die Situation in Kathmandu so weit, dass wir aktiv werden können. Die ersten Tage hat die Familie von Prakriti und Gokul damit gekämpft, das eigene Leben und das der Familie zu stabilisieren. Jetzt ist Gokul in der Lage, konkrete Hilfsmassnahmen zu identifizieren und umzusetzen.

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Kerstin ist nun auch in Kathmandu. Nach 6h Busfahrt mit nur drei weiteren Passagieren sind alle wohlbehalten angekommen. Auf der Gegenfahrbahn war wesentlich mehr los. Die Nepalesen aus Kathmandu strömen aufs Land um zu schauen, wie es den eigenen Familien im Heimatdorf geht.

Am gestrigen 29. April, vier Tage nach Beginn des Erdbebens laufen die Vorbereitung für einen Hilfstrek nach Sindhupalchowk, ein Distrikt nord-östlich von Kathmandu. Diese Gegend war das Zentrum der vielen Nachbeben. Kerstin berichtet mir, das noch immer Nachbeben in Kathmandu zu spüren sind, diese aber zum Glück immer schwächer werden.

Zuerst mussten Fahrzeuge gefunden werden und diese sind nun mit Lebensmitteln und Arzneimitteln sowie Zelten bepackt. Zusammen mit Helfern und Ärzten ist Gokul heute morgen in das Dorf aufgebrochen. Ein sehr wichtiges Hilfmittel sind Wasser-Entkeimungstabletten zur Aufbereitung von Trinkwasser. Kerstin hat in Chitwan alle Bestände aufgekauft und diese mit nach Kathmandu gebracht. In Kathmandu selber bekommt man bereits keine Tabletten mehr, weil nun die Phase des hortens begonnen hat und jeder die Dinge hält, die er hat. Unsere schlaue Prakriti hat sich die Tabletten von Kerstin näher angeschaut und gesehen, dass diese in Kathmandu produziert werden und einfach dort angerufen und mal eben 6.000 Tabletten bestellt. Stark schmunzelnd sagte sie zu Kerstin, dass Kerstin die Tabletten wohl zu teuer eingekauft hätte 😉

Wie Gokul es geschafft hat, einen Jeep und einen LKW für die Tour zu bekommen ist uns rätselhaft. Er sagte nur sowas wie Politikerin und Vitamin B etc. Ist auch egal, Hauptsache die ganzen Lebensmittel, die sich im Büro stapeln, kommen zu den bedürftigen Menschen.

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Als weitere Aktion konnten gestern 500€ aus euren Spenden an Baghwan von der Organisation Karmalya übergeben werden, womit der Wiederaufbau des Bergdorfes Swaragau finanziert werden kann. In diesem Dorf waren Kerstin und ich letztes Jahr für 10 Tage als Volunteer über Karmalaya. Das Beben hat wohl das gesamte Dorf zerstört. Zum Glück gab es nur leicht Verletzte und keine Toten, aber die große Schule und das Haus für die Blindenkinder wie auch das Flaschenhaus, an dem wir mitgearbeitet haben sind wohl zerstört. Baghwan versucht nun heute bis ins Dorf zu kommen, wohlwissend, dass die abenteuerliche Zufahrtstrasse in Teilen nicht mehr existiert. Jetzt bräuchte man einen Helikopter.
we are nepal spende karmalaya

Der Unmut über die Hilfsaktivitäten der Regierung und der großen Organisationen nimmt stark zu. Umso wichtiger wird es nun, das gerade die kleinen Initiativen wie unsere WE ARE NEPAL Unterstützung erhalten, weil so sehr direkt Erste Hilfe geleistet werden kann. Bitte spendet weiter und teilt es mit euren Familien, Freunden und Arbeitskollegen. Je mehr helfen desto mehr wird geholfen! Danke.

we are nepal Spendenaktion

Aus der paradiesischen Region Chitwan in eine andere Welt

Heute ist der 29. April, und nach drei Tagen in Chitwan fahre ich endlich zurück nach Kathmandu.

Ich bin aufgeregt, und weiß nicht was mich erwartet. Es hat angefangen sehr stark zu regnen, auch in Kathmandu. Hoffentlich sind die Straßen dadurch nicht durch weitere Erdrutsche blockiert. Ich bin im ständigen Austausch mit Gokul und Prakriti, die Hilfsmaßnahmen in den umliegenden Dörfern planen. Die Regierung ist komplett überfordert und inaktiv, so scheint es. Die Krankenhäuser sind voll mit toten, deren Angehörige die Leichen gerne in ihren Dörfern mit Zeremonien bestatten möchten. Aber es stehen keine Autos zum Abtransport mehr zur Verfügung. Von daher blockieren die Leichen das Krankenhaus und Verletzte können kaum versorgt werden.

Die Menschen hier starten private Hilfe Aktion. Sie kaufen Zelte und Lebensmittel und fahren auf eigene Faust in die  Dörfer um zu helfen. Science, der Manager unseres Hotels ist auch eben aufgebrochen mit einem selbst zusammengestellten kleinen Hilfstrupp um in die stark betroffene Region Gorkha zu fahren. Das scheint hier ganz selbstverständlich für viele zu sein, und das macht auch einen Teil der nepalesischen Kultur so besonders. Gorkha ist die Region, wo das erste große Beben sein Zentrum hatte.

Ich bin sehr gerührt von den vielen Nachrichten, die ich aus Deutschland und aus der ganzen Welt bekommen habe. Auch innerhalb von meinem Netzwerk gibt es eine große Solidarität. Das ist sehr beeindruckend. Mit einem kleinen Kern-Team um Oliver herum in Deutschland und Gokul und Prakriti und ihrem immensen Netzwerk hier in Nepal und mir als Brücke zwischen beiden Welten, bin ich sicher, dass wir einiges auf die Beine stellen können. Jetzt, nachdem alle begonnen haben die Überbleibsel des Unglücks zusammen zu suchen, ist deutsche Gründlichkeit und Planung und Organisation ein wertvolles Gut.

Und natürlich finanzielle Mittel, die wir gerade durch die Spendenkampagne zusammentragen. Ich hoffe sehr, dass wir es schnell schaffen die Taschenproduktion für Shakti Milan Bags wieder aufzunehmen. Denn nur dadurch generieren wir langfristig finanzielle Mittel, die allen Familien zu Gute kommen und für einen Wiederaufbau, in nachhaltiger Weise genutzt werden können.

Einen Tag vor dem Erdbeben, hat die Shakti Milan Familie ein neues Mitglied bekommen. Ein Ehepaar aus der unberührbaren Kaste, die durch einen Brand sämtliches Hab und Gut verloren hatten. Für sie war es ein Glückstag ins Team aufgenommen zu werden. Am nächsten Tag hat die Erde gebebt und wir haben seitdem den Kontakt zu ihnen verloren. Wir wissen nicht ob sie überlebt haben. Der Ort an dem sie unterkamen, ist komplett zerstört.

In wenigen Minuten, startet der Bus aus der paradiesischen Region Chitwan in eine andere Welt. Ich melde mich sobald ich wieder online bin.

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WE ARE NEPAL – Die Folgen des Erdbebens

Es ist unbeschreiblich. Für mich, der in Berlin auf dem Sofa sitzt, ist es ergänzend eine Qual. Im Fernsehen und über Twitter muss ich verfolgen, wie Menschen, die ich vor ein paar Monaten sehr lieb gewonnen habe, von einer riesigen Katastrophe heimgesucht werden. Als erstes sehe ich den Dharahara-Turm, der im Dezember 2014, als ich in Kathmandu war, gerade einen neuen weißen Anstrich bekommen hat. Ausser dem Sockel ist nicht viel ürig geblieben und da Samstag ist, wurden auch noch viele Menschen unter dem Trümmern begraben. Kerstin ist gerade in Nepal und ich erhalte kein Lebenszeichen. Zum Glück ist sie nicht in Kathmandu sondern in Lumbini bei einer Meditation. Auch in Lumbini bebt die Erde aber zum Glück keine Zerstörung. Gegen Abend kommt endlich das Lebenszeichen, dass bei ihr alle in Ordnung ist. Die folgenden Stunden habe ich damit verbracht weitere Informationen über die Situation der anderen Freunde vor Ort zu erfahren. Ausserdem erreichten mich viele Rückfragen unserer Freunde, wie es Kerstin geht und sogar über Facebook erreichen mich diverse Anfragen von Menschen, die auch auf der Suche nach Antworten sind. Vielen Dank für die vielfältige Anteilnahme und Nachfrage, wie es Kerstin und der Familie von Prakriti in Nepal gehen. Alle sind soweit okay, aber schaut selber, wie insbesondere die Familie und die Nachbarn aktuell leben. Ihre Häuser sind mehr oder weniger okay, haben aber Schäden davongetragen. Aufgrund der Angst von Nachbeben schalfen und leben sie draußen, Tag und Nacht. Heute konnten Sie Strom per Solar aufbauen, aber Wasser ist weiterhin ein Problem. IMG_5609 Kerstin ist noch ausserhalb von Kathmandu und es geht ihr gut. Aktuell sind die Straßen nach Kathmandu teilweise zerstört und so wird sie noch ein wenig warten, bis sie in die Stadt kommt. Ausserdem wartet sie ab, bis die Nachbeben eine Ende finden. Leider weiß ich noch nicht, wie es unseren Näh-Frauen in Kathmandu und in Pharping geht. Die Möglichkeit der Kommunikation ist sehr beschränkt. WIR MÜSSEN HELFEN Für die Menschen in Nepal habe wir eine Spenden-Kampagne gestartet. 100% der Spendengelder gehen nach Nepal direkt zu den Menschen vor Ort. Das verspreche ich! Bitte auf www.we-are-nepal.org spenden. Folie2 Bergdorf Swaragau Im letzten November waren Kerstin und ich 10 Tage im Bergdorf Swaragau. Es waren tolle Tage in einem tollen Dorf mit super tollen Menschen. Wer noch einmal nachlesen möchte, sollte hier starten. Das Dorf liegt im Gorkha-Distrikt und damit im Epizentrum des großen Bebens. Leider hat es das Dorf schwer erwischt. Hier ein Zitat von Karmalaya, die Organisation, mit der wir damals in Nepal unterwegs waren: „Das Dorf Swaragau und unser dortiges ´Herzprojekt´ für blinde und sehbeeinträchtigte Kinder…liegt in Trümmern. Alles zerstört. 4 Jahre Entwicklung ausradiert. Die guten Nachrichten: die Kindern und Dorfbewohner sind unversehrt. Glück im Unglück, dass das Erdbeben mittags begann und nicht nachts, wo alle schlafen…“ Wir haben eine Spendenaktion auf Betterplace gestartet, die zu 100% an die Familien gehen. Bitte spenden und teilen: www.we-are-nepal.org ‪#‎nepalquake‬ ‪#‎nepal‬ ‪#‎earthquake‬ ‪#‎nepalearthquake‬ ‪#‎wearenepal‬

Volles Haus zur Welcome-Back-Bag-Party

Die Mädels aus Bielefeld sind gestern Abend schon angereist. Im Gepäck 2 Rotweinkuchen von meiner Mutter und die guten Kekse mit viel Schokolade. Das passt! Leider habe ich es immer noch nicht geschafft die restlichen Labels in die Taschen zu nähen und die kleinen Love-Letter-Briefchen anzubringen. Aber auf die Bielefelder-Mädels ist verlass. Es braucht nur ein bisschen Pizza und Rotwein und sie sind wieder gestärkt um fleissig mitzuarbeiten. Tanja an der Nähmaschine, Britta und Kirstin an den Love-Lettern und Oliver und ich irgendwo mitten drin im Taschen- und Deko-Chaos. Wunderbar!

Nepal-Auction-08Um 15 Uhr kommen die ersten Gäste. Wir sind genau auf den Punkt fertig mit Aufräumen, Kochen und dekorieren. Leider musste das Mittagsschläfchen aus dem Programm gestrichen werden. Mhmmmm. Schade. Und dann geht es auch schon los. Im Schnee- und Hagel-Schei..wetter kommen Schlag auf Schlag immer neue liebe Menschen zu uns. Der Hausflur steht voller Schuhe und die Treppe nach Oben ist komplett mit Jacken zugepflastert. Drinnen gibt es Mutters Rotweinkuchen, Glühwein und den extra aus Nepal eingeflogenen Milchtee. Das Rezept ist einfach und überfordert mich nicht (allerdings überfordern die Gewürzreste unsere Spülmaschine, wie wir später feststellen werden).

Nepal-Auction-11 Nepal-Auction-10 Nepal-Auction-12Langsam wird es schön warm in der Wohnung und wir probieren mal aus, wie viele Leute bei uns ins Wohnzimmer passen. Nepali-Style: es geht immer noch jemand rein. Unsere Fotos laufen auf dem großen Fernseher in einer Endlosschleife und wir erzählen munter die Geschichten zu den Bildern. Als es richtig knacke voll ist, legt Oliver mit der Taschen Auktion los. Heute ist er wirklich gut drauf. Er präsentiert die Taschen, erzählt die Entstehungsgeschichte, hebt Details hervor und alles locker und witzig. Kein Wunder dass die erste Tasche, sein Elefanten-Lieblingsmotiv gleich zu einem super Kaufpreis von 42 Euro versteigert wird. Und unsere Gäste sind einfach klasse. Sie machen den Spass mit, ersteigern fleissig Taschen und stehen voll hinter unserem Engagement für Nepalesische Frauen in Notsituationen. Wir haben sehr viel Spass und verkaufen alle Taschen. Insgesamt haben wir an diesem Tag 852 Euro durch die Vorbestellungen, die Versteigerung und sonstige Spenden eingenommen. Wahnsinn! Damit können wir sofort loslegen und Räume in Kathmandu anmieten und mehr Frauen trainieren.

Nepal-Auction-14 Nepal-Auction-13 Nepal-Auction-19 Nepal-Auction-23 Nepal-Auction-24 Nepal-Auction-27 Nepal-Auction-28Auch unser Reiskocher macht seinen Job gut und das selbstgemachte Curry mit den Gewürzen vom Farmersmarket in Kathmandu kann man gut essen. Die Momos, eine Fusion-Variante, vegan und bio aus dem Prenzlauer Berg hingegen sind etwas speziell und schmecken a) total anders als in Nepal und b) leider auch nicht so wie im Momo Laden im Prenzelberg. Sie kleben wir Kaugummi an allem und fallen sofort auseinander. Da müssen wir wohl noch etwas üben. Und dafür haben wir noch reichlich Gelegenheit. Denn mehr als 100 von den Dingern haben wir noch im Gefrierschrank.

Und unschlagbar sind die Bielefelder-Mädels, die am Ende das ganze Chaos wieder mit aufgeräumt und sauber gemacht haben. DANKE!!! Und natürlich geht es dann mit einem vollgepackten Kofferraum wieder nach Hause.

Nepal-Auction-29Damit ist unser Abenteuer NEPAL 2014 zu Ende! Aber das Projekt Shakti Milan Bags hat gerade erst angefangen und läuft mit Sicherheit in 2015 weiter. Gerne könnt Ihr auf Facebook unter https://www.facebook.com/shaktimilanbags das Geschehen weiter verfolgen.

Wir wünschen allen fröhliche Weihnachten und einen guten Start in ein zufriedenes neues Jahr!

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Bye Bye Nepal, we will come back!

Die Nacht war kurz. Es ist kalt. Es hat die ganze Nacht durchgeregnet. Der erste Regen seit 6 oder 7 Wochen. Eine Einstimmung auf Berlin?

Noch vor dem Morgengrauen müssen wir aufstehen. Ama und ihre Schwester sind schon auf den Beinen und sobald sich etwas bei uns regt, kommen sie hoch mit Tikka. Süss, aber im Moment sind wir etwas im Stress um all unsere Taschen zusammen zu sammeln. Später! Ja? Gib uns noch 5 Minuten, versucht Oliver sich mit den beiden zu verständigen.
Wir trinken einen schnellen Tee in der Küche. Die Stimmung ist gedrückt. Als ich dann Tika bekomme laufen die Tränen. Prakriti heult gleich mit. Zum Glück ist gerade mal wieder Stromausfall und es ist dunkel.

Dann treten wir unsere nächste große Reise an. Zurück nach Berlin. Angekommen am Flughafen erfahren wir, dass unser Flug 3,5 Stunden Verspätung hat. Na super! Wenn der Anschlussflug in Istanbul nicht auch verspätet ist, dann könnte es länger dauern, bis wir wieder zu Hause sind. Aber wir haben ja in den vergangenen Wochen einige Lektionen in Gelassenheit bekommen. Also setzten wir uns in das einzige Restaurant am internationalen Flughafen und schreiben endlich auf, was wir in der letzten Woche alles erlebt haben.

Nepal-Auction-01Und am Ende wurden es dann mehr als 5 Stunden Verspätung und auch der Anschlussflug war weg. Aber dafür sind wir in Istanbul noch auf den letzten Flieger nach Berlin gebucht worden. Und wen treffen wir am Flughafen in Istanbul? Volker, einen sehr alten Freund aus Berlin, der gerade mit ein paar Freunden ein Istanbul Wochenende genossen hat. Die Welt ist so klein! Die Jungs frisch aus dem Hamam, sauber und duftend, wir dagegen seit längerem ohne Dusche, müffelnd und schon sehr müde… aber so etwas müssen Freundschaften aushalten ;-).Nepal-Auction-02Und dann waren wir plötzlich wieder in Berlin. Zurück im grauen Winter und Regenwetter. Das hatten wir eigentlich so gar nicht vermisst. Aber das Bett war so unheimlich weich. Die Bettdecke so lang. Das frischbezogene Bieberbett so kuschelig. Und die Brötchen und die Leckereien von Butter Lindner am nächsten Morgen einfach ein Genuss.

Aber wo sind die ganzen Menschen? So viel Wohnung und so wenig Bewohner. Ein großes Haus und nur 3 Leute drin. Was für eine Verschwendung. Das wird sich schon sehr bald ändern, denn in wenigen Tagen starten wir unsere Welcome-Back-Bag Party und direkt danach kommt die Familie zum Weihnachtsfest.

Ein Wohnzimmer voller Taschen und ein Tänzchen mit Ama

Heute haben wir wieder ein volles Programm. Eigentlich zu viel für einen Tag in Nepal. Aber es ist unser letzter Tag. Es gibt kein Morgen, auf das wir unsere To-Dos schieben könnten und das ist allen klar. Dementsprechend früh erscheinen Oliver und ich in der Küche zum Frühstück. Prakriti sitzt bereits am Küchentisch und macht einen Plan. Auf einer Spielkarte listet sie die Stationen auf, die wir heute zu absolvieren haben. Eine schriftliche Tagesplanung. In einem Land in dem Planung ein Fremdwort ist, aber doch immer alles irgendwie passiert. Das habe ich hier noch nie erlebt. Es ist ernst!

Wir beginnen mit einem Besuch auf dem Farmersmarket. Mittlerweile sind wir ein eingespieltes Team. Prakriti und Gokul auf dem roten Motorrad und Oliver und ich auf dem grünen Scooter düsen wir durch das vorwinterliche Kathmandu nach Thamel. Unterwegs noch ein kurzer Stop an der Tankstelle und weiter.

IMG_4611Der Farmersmarket ist ein Treffpunkt für Expats in Kathmandu. Man bekommt hier Französischen Käse, Deutsches Brot, Salami, Pasta und richtig guten Kaffee. Eigentlich ist es ein bisschen wie eine Miniatur des Winterfeldtmarktes und wir stimmen uns schon mal auf unsere Rückkehr nach Berlin ein. Aber eigentlich sind wir hier, weil der Markt eine super Kontaktbörse zwischen Ausländern und Nepalis ist und wir hier sicherlich gute Kontakte für unser Taschenprojekt knüpfen können. Prakriti und Gokul waren noch nie hier und so übernehmen wir mal die Führung für eine kurze Zeit. Gemeinsam schlendern wir über den Markt, sprechen mit den Standbesitzern (sehr viele davon verkaufen Produkte aus sozialen Projekten) und probieren einige Europäische Leckereien, die Gokul und Prakriti nicht kennen.

IMG_4615Oliver und ich ziehen dann weiter nach Thamel um noch ein paar letzte Dinge einzukaufen und einen letzten Kaffee in der Mittagssonne zu trinken. Fotos wollen wir eigentlich auch noch ausdrucken, aber das geht nicht, da in ganz Kathmandu gerade mal wieder kein Strom ist.

Gokul und Prakriti haben eine andere Mission. Sie holen unsere kleinen „Love Letters“ aus der Druckerei ab, die wir an jede Tasche hängen wollen. Die sollten eigentlich schon gestern fertig sein. Da ist sie wieder die Nepali-Zeit. Aber schlussendlich klappt es ja doch irgendwie immer. Die kleinen Heftchen, gedruckt auf Nepali-Papier sind schön geworden. Zum Glück, denn wir haben gleich 2.500 Stück davon bestellen müssen.

Zu Hause treffen wir uns wieder, laden unsere Einkäufe ab und schon geht es weiter. Heute keine Pause, kein Mittagsschlaf sondern volles Programm. Krishna und Nawar stossen zu uns und auf dem Trampelpfad vor unserem Haus bekommen wir zwei hübsche Pokale von Karmalaya für unser Nepal-Engagement überreicht. Dann fahren wir gemeinsam zum Haus von Gokuls Schwester. Sie ist mit ihrem Baby und ihrer Tochter am Freitag aus dem Elternhaus ausgezogen und in ihre eigene Wohnung zurückgekehrt. Wir haben die letzten 3 Monate als Familie unter einem Dach gelebt und so hat sie uns zum Abschied zu sich nach Hause eingeladen. Als wir ankommen treffen wir eine Menge bekannte Gesichter. Die Familie vom Dorf, die wir auch schon gestern bei der Hochzeit wiedergesehen haben. Wenn sie schon mal in Kathmandu sind, dann werden auch gleich alle Verwandten besucht. Saishna malt ein Bild für Oliver und mich zum Abschied, wir bekommen ein Dal Bhat der Superlative mit 3erlei Curry und dann singen wir irgendwie die Nepal-Nationalhymne in der Küche (keine Ahnung wie wir an diesen Punkt gekommen sind). Ein kurzes Mittagsschläfchen wäre jetzt nicht schlecht. Gokul ist total erkältet und krank und wir sind alle ziemlich platt. Aber wir müssen weiter. Nächste Station Transitional Home.

Im Transitional Home lassen wir unsere letzten Vorräte an Kinderschokolade und bringen den Kindern Kniffel bei. Gummitwist haben wir auch dabei. Das brauchen wir nicht erklären. Das kennen die Mädels. Witzigerweise haben sie genau die gleichen Kombinationen wie wir vor über 30 Jahren in Heepen hatten. Ist Gummitwist universell?

IMG_9216 IMG_9217 IMG_9220 IMG_9271 IMG_9270Wir sind spät dran, verabschieden uns von den Kindern, bekommen noch selbstgemalte Bilder von jedem einzelnen und machen uns wieder auf den Weg.

Auf dem Weg zu Shakti-Milan, dem HIV Krisenzentrum halten wir kurz an einem Tempel. 10 Minuten innehalten und das Samstägliche Treiben der Hindu-Community beobachten. Ja, das ist schön! Ich weiss jetzt schon, dass es mir schon sehr bald fehlen wird.

IMG_9273 IMG_9275Bei Shakti-Milan ist es kalt. Es ist schon fast 17 Uhr und die Sonne bereits verschwunden. Die Damen hocken auf der Dachterrasse um eine Feuerschale herum und döppen Bohnen. Wir setzen uns dazu und trinken einen Tee. 4 der 5 bestellten Häkelkörbchen sind fertig. Nummer 5 ist in Arbeit und fast fertig. Ich bin total gerührt von dem Engagement der Häkel-Lady Sobindra. Sie ist wirklich die einzige der Shakti-Milan Damen, die absolut zuverlässig und mit einer Wahnsinns-Ausdauer ihre Handarbeiten verfolgt. Leider, leider sind die Häkelkörbchen nicht wirklich schön. Das ist jetzt der X-te Versuch und wir kommen nicht wirklich weiter. Diese Produktlinie werden wir wohl einstellen müssen. Ich habe ein kleines Geschenk für Sobindra mitgebracht und bekomme im Gegenzug von ihr ein selbstgemachtes Freundschaftsbändchen. Ich bin gerührt und meine Augen werden feucht. Trotz der Kälte gehen wir noch einmal nach unten ins Nähzimmer. Gokul meint ich solle noch ein paar Worte sagen und dafür bräuchten wir eine offizielle Umgebung. Seufz! Muss das sein? Okay. Wir sitzen in der Runde am Tisch, Goma, Gokul, Prakriti, Oliver und ich. Mit Prakritis Übersetzungs-Hilfe lasse ich die Taschen-Projekt-Stationen der letzten 3 Monate Revue passieren (das habe ich bei den Amis gelernt). Was für eine Berg- und Talfahrt! Was für eine tolle Erfahrung! Was für außergewöhnliche Menschen! Ja, ich möchte zurückkommen und dieses Projekt weiter mit aller Kraft unterstützen!

Es ist schon dunkel und Oliver und ich fahren zurück nach Hause. Prakriti eilt weiter zu Sunita, die seit heute morgen in der Früh ununterbrochen Taschen genäht hat. Eine Nachbarin hat derweil in alle bereits fertigen Taschen nachträglich die neuen Labels eingenäht. Jetzt ist es an der Zeit die ganze Ausbeute einzusammeln, denn die guten Stücke sind ja alle für Deutschland bestimmt. Krishna ist am Nachmittag nach Pharping ins Dorf aufgebrochen und die in der Zwischenzeit dort von Sundar und seinem Team produzierten Taschen abzuholen. Den ganzen Tag über standen die Telefone zwischen Prakriti und Sundar nicht still. Letzte Anweisungen, Abstimmungen, wie viele Taschen habt ihr schon? Sind die Label eingenäht? Auch dieses Team arbeitet seit Tagen unermüdlich und auf Hochtouren um die Bestellung für Deutschland fertig zu stellen.

Zu Hause wollen Oliver und ich die Stunde vor dem Abendessen dafür nutzen schon mal unsere Sachen zu packen. Morgen müssen wir um 5:45 Uhr los und da ist keine Zeit mehr für etwas anderes ausser Zähneputzen. Nach so einer langen Zeit hat sich einiges angesammelt und das Chaos im Zimmer ist dementsprechend gross. Ama hat gerochen, dass wir zurück sind und es dauert keine 2 Sekunden, da steht sie bei uns im Zimmer. Och Ama, das passt jetzt nicht wirklich denke ich. Sie bleibt auch nur kurz und dann ist sie wieder verschwunden. Allerdings nur um ihre Schwester, die gerade zu Besuch ist einzufangen und auch noch mit in unser Zimmer zu schleppen. Ja, bei uns gibt es schliesslich gerade einiges zu sehen. So viele Sachen. Alle RAMROO (schön). Ausserdem ist die Gasheizung an, die wir für die Kinder im Child-Care gekauft haben und erst mal in unserem Zimmer ausprobieren. TATO (warm). Ama und ihre Schwester hocken in unserem Klamottenchaos auf dem Beistellbett und sind begeistert. Oliver erträgt es irgendwie.

Zum Abendessen bekommen wir zur Feier des Tages etwas ganz Besonderes von Ama und ihrer Schwester gekocht. Ama ist ganz aufgeregt und wir müssen sofort runterkommen und essen, solange es noch heiss ist. Brav folgen wir der Anweisung, die wir trotz mangelndem Nepali-Wortschatz sehr klar verstanden haben. Ui und was für eine Leckerei sie für uns gekocht hat. Süsser Frühstrücksbrei mit Curry-Bratkartoffeln. Ich vermeide es Oliver anzuschauen und tapfer schaufeln wir Brei mit Bratkartoffeln samt Nachschlag in uns rein. Ama sitzt mit einem kleinen Teller Brei-Bratkartoffel-Mix andächtig neben uns am Küchentisch und isst mit. Das ist etwas ganz Besonderes. Nicht nur, dass sie einen Löffel benutzt um es uns gleichzutun. Nein, das eigentlich Bemerkenswerte ist, dass diese Frau, die absolut konservativ und traditionell erzogen und aufgewachsen ist, in einer Kultur in der die Gastgeber nie zusammen mit den Gästen essen und die Frauen erst essen, wenn sie alle bedient haben und alle anderen fertig sind, dass diese Frau mit uns auf einem Stuhl am Tisch in der Küche sitzt und gemeinsam dieses besondere Essen ist. Ich bin gerührt, weil ich mittlerweile weiß, was das für ein Vertrauensbeweis ist und wie weit sie für uns aus ihrer Kompfortzone herausgetreten ist. Ojeh, ich glaube diesen letzten Abend heute überlebe ich nur mit viel Alkohol ;-).

Ama und ihre Schwester kommen nach dem Essen gleich mit hoch. Sie können kaum abwarten, dass etwas passiert und die Abschiedsfeierei losgeht. Prakriti kommt spät zurück von Sunita, aber dafür vollbeladen mit neuen Taschen. Die beiden Frauen haben einen großartigen Job geleistet. Wo ist Krishna mit den Taschen aus Pharping? Er ist gerade erst losgefahren. Um 20 Uhr. Das kann noch 2h dauern bis er zurück in Kathmandu ist. Es ist stockdunkel. Oliver rollt den Heizstrahler ins Wohnzimmer und wir trinken Grog mit Honig, Zitrone, heissem Wasser und einem ordentlichen Schuss Khukri Rum aus Nepal. Ama und ihre Schwestern holen Pius, das verbliebene Baby und bespassen es vor dem Heizstrahler. Wir haben noch für jedes Familienmitglied Geschenke vorbereitet und starten mit der Übergabe. Der Papa und die Schwester kommen dazu, gemeinsam gucken wir uns eine Auswahl von Fotos der letzten 3 Monate an und Ama, Papa und die Schwester sind jedes Mal begeistert, wenn sie einen ihrer Verwandten auf unseren Fotos ausmachen. Sie schaffen die gesamte Präsentation mind. 2x hintereinander und reagieren ähnlich entzückt wie die Kinder in Swaragau. Auf Facebook entdecken wir, dass Maria, die letzte Volontärin bei Gokul direkt nach ihrer Rückkehr nach Österreich eine Taschen-Party mit den ersten 7 Exemplaren unserer Produktion gemacht hat. Wir freuen uns riesig und schreiben direkt zurück.

IMG_9293Irgendwann, nachdem die Rumflasche schon halb leer ist, kommt Krishna mit den Taschen. Oliver und ich kaufen einfach den gesamten Bestand, obwohl wir uns vorher überlegt haben, wie viele Taschen wir haben möchten. Sie sind einfach zu schön und besonders. Die Rumflasche ist ¾ leer, das Wohnzimmer schön warm, Krishna geht ans Harmonium und wir beginnen zu singen. Ama und ihre Schwester fangen an zu tanzen und wir haben einen Riesenspass. Wir sind wirklich ein Teil dieser außergewöhnlichen Familie geworden. Krishna wiederholt nochmals die Übergabe der Buddha-Figuren von Karmalaya. Ziemlich beschwipst und gut von innen- und aussen durchgewärmt fallen wir für ein paar Stündchen ins Bett. Unsere letzte Nacht in Nepal.

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