Ein Wohnzimmer voller Taschen und ein Tänzchen mit Ama

Heute haben wir wieder ein volles Programm. Eigentlich zu viel für einen Tag in Nepal. Aber es ist unser letzter Tag. Es gibt kein Morgen, auf das wir unsere To-Dos schieben könnten und das ist allen klar. Dementsprechend früh erscheinen Oliver und ich in der Küche zum Frühstück. Prakriti sitzt bereits am Küchentisch und macht einen Plan. Auf einer Spielkarte listet sie die Stationen auf, die wir heute zu absolvieren haben. Eine schriftliche Tagesplanung. In einem Land in dem Planung ein Fremdwort ist, aber doch immer alles irgendwie passiert. Das habe ich hier noch nie erlebt. Es ist ernst!

Wir beginnen mit einem Besuch auf dem Farmersmarket. Mittlerweile sind wir ein eingespieltes Team. Prakriti und Gokul auf dem roten Motorrad und Oliver und ich auf dem grünen Scooter düsen wir durch das vorwinterliche Kathmandu nach Thamel. Unterwegs noch ein kurzer Stop an der Tankstelle und weiter.

IMG_4611Der Farmersmarket ist ein Treffpunkt für Expats in Kathmandu. Man bekommt hier Französischen Käse, Deutsches Brot, Salami, Pasta und richtig guten Kaffee. Eigentlich ist es ein bisschen wie eine Miniatur des Winterfeldtmarktes und wir stimmen uns schon mal auf unsere Rückkehr nach Berlin ein. Aber eigentlich sind wir hier, weil der Markt eine super Kontaktbörse zwischen Ausländern und Nepalis ist und wir hier sicherlich gute Kontakte für unser Taschenprojekt knüpfen können. Prakriti und Gokul waren noch nie hier und so übernehmen wir mal die Führung für eine kurze Zeit. Gemeinsam schlendern wir über den Markt, sprechen mit den Standbesitzern (sehr viele davon verkaufen Produkte aus sozialen Projekten) und probieren einige Europäische Leckereien, die Gokul und Prakriti nicht kennen.

IMG_4615Oliver und ich ziehen dann weiter nach Thamel um noch ein paar letzte Dinge einzukaufen und einen letzten Kaffee in der Mittagssonne zu trinken. Fotos wollen wir eigentlich auch noch ausdrucken, aber das geht nicht, da in ganz Kathmandu gerade mal wieder kein Strom ist.

Gokul und Prakriti haben eine andere Mission. Sie holen unsere kleinen „Love Letters“ aus der Druckerei ab, die wir an jede Tasche hängen wollen. Die sollten eigentlich schon gestern fertig sein. Da ist sie wieder die Nepali-Zeit. Aber schlussendlich klappt es ja doch irgendwie immer. Die kleinen Heftchen, gedruckt auf Nepali-Papier sind schön geworden. Zum Glück, denn wir haben gleich 2.500 Stück davon bestellen müssen.

Zu Hause treffen wir uns wieder, laden unsere Einkäufe ab und schon geht es weiter. Heute keine Pause, kein Mittagsschlaf sondern volles Programm. Krishna und Nawar stossen zu uns und auf dem Trampelpfad vor unserem Haus bekommen wir zwei hübsche Pokale von Karmalaya für unser Nepal-Engagement überreicht. Dann fahren wir gemeinsam zum Haus von Gokuls Schwester. Sie ist mit ihrem Baby und ihrer Tochter am Freitag aus dem Elternhaus ausgezogen und in ihre eigene Wohnung zurückgekehrt. Wir haben die letzten 3 Monate als Familie unter einem Dach gelebt und so hat sie uns zum Abschied zu sich nach Hause eingeladen. Als wir ankommen treffen wir eine Menge bekannte Gesichter. Die Familie vom Dorf, die wir auch schon gestern bei der Hochzeit wiedergesehen haben. Wenn sie schon mal in Kathmandu sind, dann werden auch gleich alle Verwandten besucht. Saishna malt ein Bild für Oliver und mich zum Abschied, wir bekommen ein Dal Bhat der Superlative mit 3erlei Curry und dann singen wir irgendwie die Nepal-Nationalhymne in der Küche (keine Ahnung wie wir an diesen Punkt gekommen sind). Ein kurzes Mittagsschläfchen wäre jetzt nicht schlecht. Gokul ist total erkältet und krank und wir sind alle ziemlich platt. Aber wir müssen weiter. Nächste Station Transitional Home.

Im Transitional Home lassen wir unsere letzten Vorräte an Kinderschokolade und bringen den Kindern Kniffel bei. Gummitwist haben wir auch dabei. Das brauchen wir nicht erklären. Das kennen die Mädels. Witzigerweise haben sie genau die gleichen Kombinationen wie wir vor über 30 Jahren in Heepen hatten. Ist Gummitwist universell?

IMG_9216 IMG_9217 IMG_9220 IMG_9271 IMG_9270Wir sind spät dran, verabschieden uns von den Kindern, bekommen noch selbstgemalte Bilder von jedem einzelnen und machen uns wieder auf den Weg.

Auf dem Weg zu Shakti-Milan, dem HIV Krisenzentrum halten wir kurz an einem Tempel. 10 Minuten innehalten und das Samstägliche Treiben der Hindu-Community beobachten. Ja, das ist schön! Ich weiss jetzt schon, dass es mir schon sehr bald fehlen wird.

IMG_9273 IMG_9275Bei Shakti-Milan ist es kalt. Es ist schon fast 17 Uhr und die Sonne bereits verschwunden. Die Damen hocken auf der Dachterrasse um eine Feuerschale herum und döppen Bohnen. Wir setzen uns dazu und trinken einen Tee. 4 der 5 bestellten Häkelkörbchen sind fertig. Nummer 5 ist in Arbeit und fast fertig. Ich bin total gerührt von dem Engagement der Häkel-Lady Sobindra. Sie ist wirklich die einzige der Shakti-Milan Damen, die absolut zuverlässig und mit einer Wahnsinns-Ausdauer ihre Handarbeiten verfolgt. Leider, leider sind die Häkelkörbchen nicht wirklich schön. Das ist jetzt der X-te Versuch und wir kommen nicht wirklich weiter. Diese Produktlinie werden wir wohl einstellen müssen. Ich habe ein kleines Geschenk für Sobindra mitgebracht und bekomme im Gegenzug von ihr ein selbstgemachtes Freundschaftsbändchen. Ich bin gerührt und meine Augen werden feucht. Trotz der Kälte gehen wir noch einmal nach unten ins Nähzimmer. Gokul meint ich solle noch ein paar Worte sagen und dafür bräuchten wir eine offizielle Umgebung. Seufz! Muss das sein? Okay. Wir sitzen in der Runde am Tisch, Goma, Gokul, Prakriti, Oliver und ich. Mit Prakritis Übersetzungs-Hilfe lasse ich die Taschen-Projekt-Stationen der letzten 3 Monate Revue passieren (das habe ich bei den Amis gelernt). Was für eine Berg- und Talfahrt! Was für eine tolle Erfahrung! Was für außergewöhnliche Menschen! Ja, ich möchte zurückkommen und dieses Projekt weiter mit aller Kraft unterstützen!

Es ist schon dunkel und Oliver und ich fahren zurück nach Hause. Prakriti eilt weiter zu Sunita, die seit heute morgen in der Früh ununterbrochen Taschen genäht hat. Eine Nachbarin hat derweil in alle bereits fertigen Taschen nachträglich die neuen Labels eingenäht. Jetzt ist es an der Zeit die ganze Ausbeute einzusammeln, denn die guten Stücke sind ja alle für Deutschland bestimmt. Krishna ist am Nachmittag nach Pharping ins Dorf aufgebrochen und die in der Zwischenzeit dort von Sundar und seinem Team produzierten Taschen abzuholen. Den ganzen Tag über standen die Telefone zwischen Prakriti und Sundar nicht still. Letzte Anweisungen, Abstimmungen, wie viele Taschen habt ihr schon? Sind die Label eingenäht? Auch dieses Team arbeitet seit Tagen unermüdlich und auf Hochtouren um die Bestellung für Deutschland fertig zu stellen.

Zu Hause wollen Oliver und ich die Stunde vor dem Abendessen dafür nutzen schon mal unsere Sachen zu packen. Morgen müssen wir um 5:45 Uhr los und da ist keine Zeit mehr für etwas anderes ausser Zähneputzen. Nach so einer langen Zeit hat sich einiges angesammelt und das Chaos im Zimmer ist dementsprechend gross. Ama hat gerochen, dass wir zurück sind und es dauert keine 2 Sekunden, da steht sie bei uns im Zimmer. Och Ama, das passt jetzt nicht wirklich denke ich. Sie bleibt auch nur kurz und dann ist sie wieder verschwunden. Allerdings nur um ihre Schwester, die gerade zu Besuch ist einzufangen und auch noch mit in unser Zimmer zu schleppen. Ja, bei uns gibt es schliesslich gerade einiges zu sehen. So viele Sachen. Alle RAMROO (schön). Ausserdem ist die Gasheizung an, die wir für die Kinder im Child-Care gekauft haben und erst mal in unserem Zimmer ausprobieren. TATO (warm). Ama und ihre Schwester hocken in unserem Klamottenchaos auf dem Beistellbett und sind begeistert. Oliver erträgt es irgendwie.

Zum Abendessen bekommen wir zur Feier des Tages etwas ganz Besonderes von Ama und ihrer Schwester gekocht. Ama ist ganz aufgeregt und wir müssen sofort runterkommen und essen, solange es noch heiss ist. Brav folgen wir der Anweisung, die wir trotz mangelndem Nepali-Wortschatz sehr klar verstanden haben. Ui und was für eine Leckerei sie für uns gekocht hat. Süsser Frühstrücksbrei mit Curry-Bratkartoffeln. Ich vermeide es Oliver anzuschauen und tapfer schaufeln wir Brei mit Bratkartoffeln samt Nachschlag in uns rein. Ama sitzt mit einem kleinen Teller Brei-Bratkartoffel-Mix andächtig neben uns am Küchentisch und isst mit. Das ist etwas ganz Besonderes. Nicht nur, dass sie einen Löffel benutzt um es uns gleichzutun. Nein, das eigentlich Bemerkenswerte ist, dass diese Frau, die absolut konservativ und traditionell erzogen und aufgewachsen ist, in einer Kultur in der die Gastgeber nie zusammen mit den Gästen essen und die Frauen erst essen, wenn sie alle bedient haben und alle anderen fertig sind, dass diese Frau mit uns auf einem Stuhl am Tisch in der Küche sitzt und gemeinsam dieses besondere Essen ist. Ich bin gerührt, weil ich mittlerweile weiß, was das für ein Vertrauensbeweis ist und wie weit sie für uns aus ihrer Kompfortzone herausgetreten ist. Ojeh, ich glaube diesen letzten Abend heute überlebe ich nur mit viel Alkohol ;-).

Ama und ihre Schwester kommen nach dem Essen gleich mit hoch. Sie können kaum abwarten, dass etwas passiert und die Abschiedsfeierei losgeht. Prakriti kommt spät zurück von Sunita, aber dafür vollbeladen mit neuen Taschen. Die beiden Frauen haben einen großartigen Job geleistet. Wo ist Krishna mit den Taschen aus Pharping? Er ist gerade erst losgefahren. Um 20 Uhr. Das kann noch 2h dauern bis er zurück in Kathmandu ist. Es ist stockdunkel. Oliver rollt den Heizstrahler ins Wohnzimmer und wir trinken Grog mit Honig, Zitrone, heissem Wasser und einem ordentlichen Schuss Khukri Rum aus Nepal. Ama und ihre Schwestern holen Pius, das verbliebene Baby und bespassen es vor dem Heizstrahler. Wir haben noch für jedes Familienmitglied Geschenke vorbereitet und starten mit der Übergabe. Der Papa und die Schwester kommen dazu, gemeinsam gucken wir uns eine Auswahl von Fotos der letzten 3 Monate an und Ama, Papa und die Schwester sind jedes Mal begeistert, wenn sie einen ihrer Verwandten auf unseren Fotos ausmachen. Sie schaffen die gesamte Präsentation mind. 2x hintereinander und reagieren ähnlich entzückt wie die Kinder in Swaragau. Auf Facebook entdecken wir, dass Maria, die letzte Volontärin bei Gokul direkt nach ihrer Rückkehr nach Österreich eine Taschen-Party mit den ersten 7 Exemplaren unserer Produktion gemacht hat. Wir freuen uns riesig und schreiben direkt zurück.

IMG_9293Irgendwann, nachdem die Rumflasche schon halb leer ist, kommt Krishna mit den Taschen. Oliver und ich kaufen einfach den gesamten Bestand, obwohl wir uns vorher überlegt haben, wie viele Taschen wir haben möchten. Sie sind einfach zu schön und besonders. Die Rumflasche ist ¾ leer, das Wohnzimmer schön warm, Krishna geht ans Harmonium und wir beginnen zu singen. Ama und ihre Schwester fangen an zu tanzen und wir haben einen Riesenspass. Wir sind wirklich ein Teil dieser außergewöhnlichen Familie geworden. Krishna wiederholt nochmals die Übergabe der Buddha-Figuren von Karmalaya. Ziemlich beschwipst und gut von innen- und aussen durchgewärmt fallen wir für ein paar Stündchen ins Bett. Unsere letzte Nacht in Nepal.

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Besuch in Pathan

Wie üblich planen wir am Frühstückstisch den Tag und was wir wann machen wollen. Die To-Do Liste ist lang und so splitten wir die Aufgaben erst mal auf. Oliver zieht direkt nach dem Frühstück mit Krishna los, um die Fotos für Swaragau auszudrucken und Batterien für die Cameras zu kaufen. Wir haben vor, den Blinden- und Waisenkindern jeweils ihre Portraitfotos zu schenken und die Fotos des Fotoprojektes in den Klassenzimmern aufzuhängen. Bei dem Staub und Dreck in Swaragau muss allerdings jedes Foto laminiert werden, damit es eine Überlebenschance hat.

Ich gehe mit Prakriti auf Tour. Zuerst besuchen wir Sunita in ihrem Laden, gucken uns die zweite Tasche von ihr an (leider knistert die und wir können sie nicht verwenden, aber die Näharbeit ist sauber) und machen Bestandsaufnahme, was sie noch an Materialien braucht. Der nächste Stop ist bei einer Frau aus der Kaste der Unberührbaren. Sie hat eine alte Nähmaschine auf der Straße stehen und näht dort. Prakriti hat sie angesprochen, ob sie für uns arbeiten möchte. Nun geben wir ihr eine Tasche als Muster und bitten sie, dass sie die kopiert. Dann sehen wir, wie gut ihre Nähkünste sind und wo sie noch Training braucht. Das größte Problem ist der Dreck auf der Straße. Wenn sie für uns arbeitet, kann sie das nicht auf der Straße machen. Jetzt ist es an der Zeit Goma und die Shakti-Milan-Ladies beim Wort zu nehmen und die Gemeinschaft auch für andere Bedürftige Frauen zu öffnen. Der Raum bei Shakti-Milan ist gut geeignet und unser Nähmaschine wesentlich besser als die der Frau, die übrigens Maghmalli heißt. Wir besuchen auch noch eine andere potenzielle Mitarbeiterin, die wir vom lokalen Bettdeckenfabrikanten empfohlen bekommen haben. Sie hat auch eine Tasche von uns zum kopieren bekommen und jetzt sind wir gespannt auf das Ergebnis. Leider gibt es kein Ergebnis. Die Frau hat schon in der Vergangenheit Taschen genäht und keine Bezahlung erhalten. Aufgrund der schlechten Erfahrungen gibt sie uns einen Korb. Auch okay, immerhin war sie offen und ehrlich zu uns.

Weiter geht es zum Müllhändler. Sunita braucht mehr Reissäcke. Der Müllhändler hat einen ganzen Raum voller sortierter Reissäcke. Ein El Dorado für uns. Leider ist er ein Fuchs. Prakriti hat bereits einmal bei ihm gekauft und jetzt, wo sie wiederkommt und nur bestimmte, ausgewählte Motive haben möchte, verdoppelt er mal kurz den Preis. Vielleicht ist es aber auch mein weisses Gesicht was die Preise in die Höhe schnellen lässt. Wir spielen nicht mit und verlassen ohne Säcke den Laden. Wenige Meter weiter entdecken wir einen anderen Müllhändler. Dieses Mal geht Prakriti alleine rein und ich bewache unseren Scooter. Nach 20 Minuten kommt sie wieder, mit einer tollen Auswahl neuer Reissackmotive und zu einem guten Preis. Der Händler hat jetzt ihre Nummer und wird sie anrufen, sobald sein Vorrat wieder aufgefüllt ist.

IMG_3141 IMG_3142Das war ein erfolgreicher Morgen und wir fahren zum Mittagessen nach Hause. Aber wo sind die Männer? Keine Ahnung. Ama fragt nach Oliver, die Schwestern, Durgha die Lehrerin, alle sind besorgt und ich kann immer nur sagen „Shiriman, chaina“ (Nix Ehemann). Irgendwann gebe ich die Warterei auf und esse Mittag. Kurz darauf kommt Oliver zufrieden um die Ecke. Seine Einkäufe sind erledigt, er ist unterwegs mit Krishna in Bhagwan gerannt, der hat noch einen Freund angerufen und dann ist die ganze Männerrunde erst mal MoMo essen gegangen. Das hat uns aber im Zeitplan etwas zurückgeworfen, denn wir sind für den späten Nachmittag in Pathan mit Valerie verabredet, die auch aus Berlin kommt und seit 4 Wochen bei der GIZ (Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit) in Kathmandu arbeitet. Den Kontakt hat eine ehemalige Kommilitonin von mir vermittelt und nach einigen Telefonaten sind wir jetzt gespannt uns persönlich kennen zu lernen.

Mit dem Taxi machen wir uns auf den Weg in die Nachbarstadt. Wir schauen kurz bei der GIZ vorbei um festzustellen, dass Valerie in einer anderen Zweigstelle arbeitet. Dann verabreden wir uns in ihrem Hotel für den Abend und gehen erst mal auf den Durbar Square (also den ältesten Platz) der ehemaligen Königsstadt Pathan. Auch das ist ein Weltkulturerbe und mit seinen uralten Palästen und Holzschnitzereien sehr beeindruckend und einfach nur schön. Die dunkelbraunen Holzbauten, mit ihren roten Dächern vor der Kulisse des Himalaya ist schon fast kitschig. In einem kleinen Restaurant, in dem Oliver nicht aufrecht stehen kann, essen wir etwas, trinken Tee und beobachten das Treiben auf dem Platz bevor wir zu Fuss einmal quer durch die Altstadt laufen um uns mit Valerie zu treffen. Oliver führt mich durch das Gewirr aus Gassen, was eine wahre Meisterleistung ist, da es hier ja keine Straßennamen gibt und keiner der Passanten einem genau auf dem Stadtplan zeigen kann, wo wir eigentlich sind.

IMG_8999 IMG_9006 IMG_9018 IMG_9026Mit Pathan haben wir nach so langer Zeit noch mal ein ganz neues Gesicht vom Kathmandutal kennengelernt. Hier ist es wesentlich sauberer und gepflegter, es gibt eine ganze Reihe von westlichen Lokalen, Cafes und Supermärkten und viele Weiße auf den Straßen. In Pathan haben so ziemlich alle NGOs und ausländische Hilfsorganisationen ihren Sitz und dementsprechend viele Expats wohnen hier, was natürlich das Stadtbild beeinflusst.

Mit Valerie verbringen wir einen netten Abend im Kaminzimmer ihres Hotels. Sie erzählt uns von ihrer Arbeit, ihren ersten Erfahrungen auf den Dörfern in Nepal und wie sie überhaupt hier hingekommen ist. Wir erzählen vom Taschenprojekt und teilen unsere Nepal-Erlebnisse. Valerie bestellt auch gleich 3 Shakti-Milan-Bags und wir verabreden uns zu einem weiteren Treffen am Samstag auf dem Farmersmarket.

Fotoshooting in Pharping

Und die Serie der tollen Überraschungen, die Prakriti für uns parat hat, reißt auch am nächsten Tag nicht ab. Wir wollen heute einen Ausflug (bzw. eine Dienstreise) nach Pharping machen. Oliver war noch nie dort und das muss sich ändern, schließlich hat Gokuls Familie dort ihre Wurzeln und es ist ein sehr schöner Ort. Aber bevor wir aufbrechen kommt noch die Überraschung in Person von Sunita, die uns ihr erstes Meisterstück höchstpersönlich präsentiert. Sunita ist die erste Frau aus der erweiterten Zielgruppe (Women in Need), die bereits nähen kann und sich jetzt an unseren Taschen versucht. Und das mit großem Erfolg. Ihr Meisterstück ist marktreif. Obwohl Sunita sehr schüchtern ist und kaum etwas sagt, mag ich sie sofort. Wir zeigen ihr all die anderen Taschen, die gestern aus Pharping angekommen sind, und erkennen, wie ein Leuchten über ihr Gesicht geht. Sie ist dabei!

IMG_8817Irgendwie können wir noch nicht losfahren, da immer einer fehlt oder wir noch ein Motorrad organisieren müssen oder weiss der Kuckuck. Die Zeit bis zur Abfahrt nutzen wir für ein Fotoshooting. Das Wetter ist toll, der Himmel blau und Oliver hängt alle Taschen auf die Wäscheleine auf der Dachterrasse. Die bunten Motive en masse sehen echt stark aus. Dann machen wir noch verschiedene andere Fotos mit Prakriti, Viola und mir mit Oliver als professionellem Fotografen. Wir haben bereits jetzt einen Riesenspaß. Aber es soll heute noch viel, viel besser werden.

IMG_8881 IMG_8888 IMG_8825 IMG_8847Wir sind mit 3 Bikes und 6 Personen nach Pharping unterwegs. Oliver darf den Scooter fahren und probiert damit zum ersten Mal den Linksverkehr, das Verkehrschaos und die maroden Straßen von Kathmandu aus. Das klappt sehr gut. Nach ca. 1,5 Stunden haben wir unser Ziel und den kleinen Teeladen von Krishnas Familie erreicht. Hier gibt es erst mal eine Pause, natürlich einen Tee und dann noch Dal Bhat. Gleich neben dem Teeladen ist die Werkstatt von Krishnas Bruder und während der Reis noch kocht, stürmen wir zu sechst den Mini-Raum um zu sehen, wie die Taschenproduktion läuft. Mittlerweile hat Sundar 2 Frauen beschäftigt, die ihm helfen meine Riesenbestellung zu produzieren. Noch 4 Tage bis zum Rückflug nach Berlin. Der Count-Down läuft. Aber er macht das super! Gerade nähen sie die Rucksäcke und wir machen gleich mal eine Anprobe mit Oliver. Passt!

IMG_8892 IMG_8895 IMG_8897 IMG_8908 IMG_4528 IMG_4525 IMG_4529Nach dem Dal Bhat fahren wir weiter. Keine Ahnung wohin, aber mittlerweile sind wir zu Acht auf 4 Bikes. Sundar und ein Nachbar sind jetzt auch dabei. Der Nachbar führt uns immer weiter hinauf in die Hügel. Wir haben heute beste Bergsicht auf die Gipfel des Langtang Gebirges. Und das vor blühenden Senf-Feldern. Einfach genial und was für die Seele. Oliver hat natürlich die Kamera und wir unsere Reistaschen dabei. An verschiedenen Plätzen fangen wir jetzt an zu Posen und die Taschen in Szene zu setzen. Jedes Mal sind wir sofort von einer kleinen Traube von Dorfkindern und anderen Neugierigen umgeben. Die Subedi-Brüder entpuppen sich unter Olivers fachkundiger Anleitung als Naturtalente beim Modeln. Krishna der Spassvogel ist natürlich der Beste, was er auch immer wieder bestätigt haben möchte ;-).

IMG_8948 IMG_8921 IMG_8935 IMG_8942 IMG_8955 IMG_8958 IMG_8968 IMG_8981 IMG_8987 IMG_8994 IMG_4542 IMG_4538 IMG_4537Es wird spät, als wir uns auf den Rückweg nach Kathmandu machen. Alle haben den Ausflug aufs Land genossen und die Rückfahrt immer wieder hinausgezögert. Hier noch einen Tee in einer kleinen Bude getrunken, da noch mal angehalten um einen tollen Blick auf die Bergkette zu haben, noch mal bei den Eltern vorbeigeschaut und natürlich mit Sundar übers Taschen-Business geredet. Was sind seine Vorstellungen von fairer Vergütung? Wie viele Taschen schafft er bis Samstag? Kann er hier und da noch etwas Finetuning an den Taschen vornehmen? Etc. Dann bekommen wir noch einen „Groundapple“ vom Nachbarn geschenkt, ein Ding, daß noch keiner von uns jemals gesehen, geschweige denn gegessen hat. Wir nehmen es erst mal mit und probieren es später zu Hause aus. Ist wirklich lecker und fruchtig. Wir sind positiv überrascht, sieht das Ding doch eher wie eine Süsskartoffel aus.

Einkaufen in Old-Town

Es geht im gleichen Tempo weiter. Heute steht Label-Einkaufen in Old-Town auf dem Programm. Noch vor dem Frühstück schreibe ich den Text für unsere Taschenanhänger neu. Da wir nun nicht mehr ausschließlich mit HIV-Infizierten Frauen an den Start gehen, passt der vor ein paar Wochen entworfene Text nicht mehr. Oliver formatiert in Windeseile und sichert gleich noch die Domain www.shakti-milan-bags.com und öffnet eine Facebook-Präsenz bevor der Strom wieder abgestellt wird. Direkt nach dem Frühstück geht es los.

Gemeinsam mit Gokul und Prakriti fahren wir in die Strasse der Label-Händler. Hier bekommt man rollenweise Labels aller nur erdenklichen Marken. Der Renner ist „The North Face“ aber natürlich auch Gucci und Armani gibt es. Wir hatten schon vor einigen Wochen mit der Recherche begonnen und mittlerweile haben wir genug Wissen gesammelt um heute endlich den Auftrag geben zu können. Wir brauchen die Labels noch diese Woche, von daher können wir leider keine gestickten Labels aus Indien in Auftrag geben, obwohl die sicherlich sehr cool aussehen würden. Nach einigem Hin- und Her nehmen wir schwarze Labels mit silbernem Druck. Oliver hat seinen Laptop dabei und passt noch im Laden die Vorlage an die Größe des Labels an. Gokul und Prakriti verhandeln in der Zwischenzeit den Preis. Sie legen sich voll ins Zeug um den besten Preis zu bekommen. Dann ein kurzes Stutzen. Wir wollten erst mal nur eine kleine Stückzahl zum Ausprobieren. Da ist der Preis höher, schon klar. Der Händler schlägt uns vor direkt 2.500 Stück zu kaufen, da könnte er einen guten Preis machen. Interessanterweise unterscheidet sich der Preis für 2.500 Stück zu dem für 250 Stück lediglich um ca. 15 Euro. Also gehen wir in die Vollen und bestellen Label für das ganze nächste Jahr und wahrscheinlich noch weit darüber hinaus. Als das erledigt ist, widmen wir uns den Love Letters. Gleiches Prinzip. Wir suchen ein schönes Nepali-Papier aus. Oliver formatiert und unsere Nepali-Kollegen verhandeln den Preis. Auch hier sind im endeffekt 2.500 Stück günstiger als eine kleinere Menge. Jetzt hoffen wir nur, dass sich nicht irgendwo ein Tippfehler eingeschlichen hat. Am Freitag soll alles fertig sein, dann wissen wir Bescheid.

IMG_3122 IMG_3124 IMG_3126Nach diesem aufregenden Einkauf gehen wir erst mal einen Tee trinken im einem der kleinen Nepali-Straßenrestaurants. Prakriti und ich haben natürlich jeder eine original Shakti Milan Bags Tasche dabei (passend zum jeweiligen Outfit) und Oliver nutzt die Gelegenheit ein paar Katalogfotos vor authentischer Kulisse von uns zu schießen. Leider findet der Ladenbesitzer das nicht halb so spaßig wie wir und so müssen wir aufgeben und zur Beruhigung der Gemüter auch noch was zu Essen bestellen.

IMG_8782Danach trennen wir uns. Oliver und ich machen noch ein bisschen Touri-Programm und gehen zum Durban Square, einem der ältesten Plätze in Kathmandu und auch Weltkulturerbe. Mittlerweile sind kaum noch Touristen unterwegs. Die beste Reisezeit für Nepal ist vorbei und selbst in Thamel wuselt es längst nicht mehr so wie noch vor ein paar Wochen. Wir schlendern über den Antikmarkt, kaufen ein paar Kleinigkeiten und genießen das Treiben vor traumhafter Kulisse.

IMG_8792 IMG_8804 IMG_8795 IMG_8999 IMG_9006IMG_9026 IMG_9018Zurück zu Hause wartet eine neue Überraschung auf uns. Krishna war in Pharping und hat eine ganze Ladung neuer Taschen mitgebracht. Gokuls Büro gleicht jetzt einem Showroom und begeistert inspizieren Oliver und ich die neuen Taschen und Motive. Es ist schon toll, wie viele verschiedene Motive wir mittlerweile aufgetrieben haben. Und ständig werden es mehr.

IMG_8813Franzi, eine andere Volontärin, kommt kurz vorbei und wird auch gleich in das Reich der Taschen geführt. Bhagwan hat uns zum Essen in der Stadt eingeladen und kommt um uns abzuholen. Auch ihn verpflichten wir erst unsere Taschen zu bestaunen, bevor es losgehen kann ;-). Aber Bhagwan ist schon längst überzeugt und hat uns seine Unterstützung beim Verkauf zugesagt. Noch am selben Abend verkauft er seine erste Tasche an Max, einen Volontär, der am nächsten Tag zurück in die Schweiz fliegt. Wer sagt’s denn!

Wir haben einen netten Abend in einem Restaurant mit Blick auf den großen Stupa mit den Augen. Einer meiner Lieblingsplätze mit sehr schöner Stimmung, besonders Abends. Wir trotzen der Kälte mit original Nepali-Grog und hervorragendem Essen und erfahren mehr über Nepal, die Regierung, das System und was es bedeutet hier Geschäfte zu machen.

Tag der Entscheidung im Taschen-Projekt

Der Termin bei Shakti-Milan ist für 15 Uhr angesetzt. Also bleibt uns der Vormittag um weiter am Projekt zu arbeiten. Erste Besprechung mit Prakriti auf der Terrasse. Dann setzen Oliver, Prakriti und ich uns auf die Yogamatte auf der Dachterrasse in die Sonne und eröffnen unser Büro.

IMG_4513Zuerst spielen wir die ganze Prozesskette durch. Von der Produktentwicklung über die Beschaffung der Rohmaterialien zur Produktion, zum Marketing und Vertrieb der Taschen. Außerdem spielen wir das Thema Human Resources durch, denn qualifizierte und vor allem motivierte Mitarbeiterinnen mit dem Kriterium der Bedürftigkeit zu bekommen und langfristig zu binden hat sich ja schon in den Anfängen als Herausforderung gezeigt. Auch über die Finanzen und Reportingstandards machen wir uns einen Kopf und wie wir den Infoaustausch in Zukunft handhaben wollen, mit uns in Deutschland, Prakriti in Nepal und einer schneckenlahmen Internetverbindung und das auch nur wenn gerade Strom da ist.

IMG_3116Als wir die ganze Prozesskette im Detail auf Post-Its geschrieben und auf die Yogamatte geklebt haben, brauchen wir erst mal einen Tee. Puh, das ist ein richtiges Business und ganz schön komplex. Unser Bauchgefühl, daß die Damen von Shakti-Milan das innerhalb ihrer Organisation nicht handeln können, wird nach dieser Übung ganz klar bestätigt. Leider haben die Shakti-Milan Damen im Moment noch grosse Schwierigkeiten überhaupt eine Tasche in der erforderlichen Qualität zu produzieren. Die Ausbildung läuft noch und das Engagement ist auch sehr unterschiedlich. Und die Taschenproduktion nach Standardvorlage ist nur ein kleines Puzzlestück in der ganzen Prozesskette. Wir überlegen ob wir das Team um Sundar im Dorf Pharping ausbauen sollten. Auf dem Dorf gibt es viele bedürftige Frauen die bereits Kleidung nähen können. Sie auf Taschen zu schulen dauert max. 3-4 Tage und Sundar könnte ein solches Team leiten, die Qualitätsstandards sichern und die Frauen anlernen. Sobald die Shakti-Milan Damen dann soweit sind, können wir ein zweites Team aufmachen, denn dann haben wir hoffentlich genügend Aufträge um beide Teams auszulasten. Ausserdem könnten die HIV Damen dann weitgehend unter sich und in der geschützten Umgebung bleiben, ohne ihre Infizierung vor anderen Nicht-HIV Infizierten publik machen zu müssen.

Auf jeden Fall ist klar, dass wir sofort ein zweites, unabhängiges Team von bereits ausgebildeten Frauen brauchen, die innerhalb von sehr kurzer Zeit loslegen können Taschen zu produzieren. Anderenfalls müssen wir unsere Bestellungen streichen.

Nach dem Mittagessen brechen Prakriti und ich zu Shakti-Milan auf. Goma ist bereits da. Der Näh-Raum ist belebt, es hängen Taschen an der Wand und eine Bewohnerin des Heims übt an der Nähmaschine (macht sie gut, seltsamerweise ist sie gar nicht bei uns im Team). Ich freue mich sehr das so zu sehen.

IMG_3118Die Häkel-Dame kommt und präsentiert uns stolz ihre erste Reissack-Tasche. Klasse! Als wir den Sack sehen, den sie dafür verwendet hat, bekommen Prakriti und ich gleichzeitig einen Stich in den Magen. Wir brauchen keinen Blickkontakt. Wir denken beide genau dasselbe: OMG! Der Sack mit dem Elefantenmotiv, der ist so selten zu bekommen und der einzige, der richtig gut auf den Rucksäcken aussieht. Und sie hat ausgerechnet den zum Üben genommen. Ohne Blick fürs Motiv hat sie einfach dem Elefanten durch den Bauch geschnitten….RAMROOOO (schööön) sagen wir beide mit einem gequälten Lächeln.

Wir sprechen lange mit Goma. Nach ein paar einleitenden Worten kommen wir sehr schnell zum Punkt. Wie soll es weitergehen? Sie ist sehr ehrlich zu uns und beschönigt nichts. Im Moment, so sagt sie, sind sie noch nicht in der Lage einen Beitrag zur Produktion zu leisten. Sie hat die Komplexität unterschätzt und es tut ihr leid, dass ihre Damen aus unterschiedlichen Gründen nur mäßiges Engagement zeigen. Aber es ist nach wie vor ihr Traum dieses Business für Shakti-Milan zum Fliegen zu bringen. Sie verspricht einen neuen Anlauf zu starten, alle Shakti-Milan Mitglieder zu einem Treffen zu versammeln und auch einen Näh-Trainer aufzutreiben um das Team auf Taschen zu schulen. Sie braucht nur mehr Zeit und eine kleine Pause. Wir einigen uns auf einen Zeitraum von 5 Monaten für den wir aus den Erlösen der Taschen das Training, die Materialien, die Busfahrten etc. für die Shakti-Milan Damen finanzieren. Die Nähmaschine, der Raum, alles bleibt erhalten. Wir werden in engem Kontakt bleiben, regelmäßig vorbeischauen und den Fortschritt verfolgen. Nach 5 Monaten, so ist der Plan, sind die Damen soweit, dass sie in die Taschenproduktion einsteigen können. Ausserdem werden sie auch einen wesentlichen Beitrag zum Vertrieb und Marketing der Taschen über ihr Netzwerk leisten. Prakriti und ich werden derweil unser Möglichstes tun um das Projekt in der Zwischenzeit am Leben zu halten. Wir werden ein weiteres Team aufbauen, damit wir die Aufträge erfüllen und so Geld für das Training der Damen generieren können. Goma ist einverstanden die Zielgruppe auf hilfsbedürftige Frauen aller Art zu erweitern und nicht nur im Kreise der HIV Infizierten Frauen zu suchen. Das war ein gutes Meeting und hat eine Menge Klarheit gebracht. Die nächsten Schritte zeichnen sich ab.

Zurück zu Hause hat Viola, unsere neue Mitbewohnerin, Pasta gekocht. Das ist mal eine nette Abwechslung zum täglichen Reis und auch die Familie probiert neugierig dieses fremde Gericht ;-).

Direkt nach dem Abendessen versammeln wir uns alle auf dem Bett von Gokul und Prakriti, werten den Tag und das Gespräch mit Goma aus und entscheiden dann, wie und mit welcher Organisationsform wir weitermachen. Spätestens morgen müssen wir die Labels und Anhänger (Love Letters) für die Taschen in Auftrag geben und dafür müssen wir wissen, wie das Kind heissen soll. Wir entscheiden uns dafür eine Dachorganisation zu registrieren, die WISE (Women in Social Entrepreneurship) heissen soll. Das gibt uns die Möglichkeit langfristig auch noch andere Bereiche als Taschen zu eröffnen. Unter WISE gibt es die Taschenproduktion, die wir Shakti-Milan-Bags nennen. Und „Shakti Milan Bags“ würden wir gerne zur Marke ausbauen. Da wir vorerst ja nur eine Taschen-Art haben, und um unsere Kunden nicht zu verwirren, werden wir nach Außen erst mal nur mit dem Namen „Shakti Milan Bags“ auftreten. Mit dieser Entscheidung fühlen wir uns alle gut. Und wir werden euphorisch als wir uns erlauben die Zukunft der WISE Organisation und deren Potenzial noch ein bisschen weiter zu träumen, bevor auch dieser ereignisreiche Tag zu Ende geht.

Bye Bye Pokhara and Welcome Home in Kathmandu

Gemütlich lassen wir es heute morgen in Pokhara angehen. Nach einem ausgiebigen Frühstück suchen wir uns noch mal ein chilliges Plätzchen am See und geniessen die saubere Luft vor unserer Rückkehr nach Kathmandu. Das heute in Deutschland Nikolaus gefeiert wird, bekommen wir nicht wirklich mit.

IMG_4499 IMG_4497Unsere Wäsche, die wir am Vortag im Hotel abgegeben haben ist noch nicht zurück aus der Wäscherei. Um 13 Uhr müssen wir zum Flughafen, das wird knapp aber irgendwie wird es schon passen. Und so ist es auch. Um 12:30 Uhr kommt die Wäsche und uns bleibt noch genügend Zeit sie in den Rucksack zu stopfen. Der Preis für den Service ist einfach unverschämt. Ca. 30 Euro berechnet das Hotel für einen Service, der noch vor 2 Wochen ca. 10 Euro gekostet hat. Oliver macht Rabatz aber leider haben wir dann doch nicht mehr genügend Zeit das Gefecht zu Ende zu bringen. Wir bezahlen das Lehrgeld und fahren etwas verärgert zum Flughafen. In 7 Minuten sind wir schon da und nach weiteren 45 Minuten können wir in die Spielzeugmaschine einsteigen. Der Flughafen von Pokhara ist ein winzig und mein Pfefferspray wandert unentdeckt mit im Rucksack in die Kabine (bemerke ich aber erst hinterher).

IMG_4504Der kurze Flug ist sensationell und jeden Cent wert. Anstatt 8 h im Bus durch die Gegend zu schaukeln, sind wir in weniger als 30 Minuten in Kathmandu. Und wir fliegen bei bester Sicht die ganze Zeit an der Bergkette des Himalaya entlang. Bis jetzt hatten wir ja schon oft Berge an unterschiedlichen Orten und aus unterschiedlichen Perspektiven gesehen. Aber das ganze Massiv aus der Luft zu betrachten, die schneebedeckten 7 und 8 Tausender in der Sonne vor blauem Himmel, ist total beeindruckend.

IMG_8749 IMG_3111Angekommen in Kathmandu werden wir von einem Karmalaya Team abgeholt und nach Hause zu Gokul gefahren. Was für ein netter Service! Kaum haben wir einen Fuss ins Haus gesetzt, werden wir auch schon von der gesamten Familie mit grossem Hallo begrüßt. Ama hat uns als erstes entdeckt. Die Schwestern kommen und zeigen uns ihre Babies, stolz über jedes Speckröllchen, was in den vergangenen 3 Wochen gewachsen ist. Saishna, Gokul, Prakriti, Krishna, Papa, alle kommen und freuen sich, dass wir wieder da sind. Und es gibt eine neue Mitbewohnerin. Viola aus der Schweiz wohnt jetzt auch bei uns, während Maria und Mirjam in der Zwischenzeit abgereist sind.

Die grosse Überraschung wartet im Wohnzimmer. 18 neue Reistaschen mit tollen Motiven stehen nett aufgereiht und mit Zeitungspapier ausgestopft für uns bereit. Ich bin total aus dem Häuschen. WOW! Ich war mir nicht sicher, ob das Taschen-Projekt eine Überlebenschance hat, da die Shakti-Milan Damen eher mässiges Engagement zeigen und noch keine von ihnen in der Lage ist auch nur annähernd eine Tasche in der erforderlichen Qualität zu nähen. Während meiner Abwesenheit aus Kathmandu hatte ich meinen Frieden damit geschlossen und war auch darauf vorbereitet das Baby zu Grabe zu tragen. Und jetzt das! Ein Gefühl wie Weihnachten! Nicht nur für mich, sondern auch für Prakriti, die in den letzten Tagen alle Hebel in Bewegung gesetzt hat, um das Projekt am Leben zu halten. Die Taschen wurden in Pharping, im Dorf der Famile von Krishnas Bruder Sundar produziert. Er hatte uns schon ganz am Anfang bei dem Projekt unterstützt und ich mag ihn sehr. Er hat 2 Mitarbeiterinnen (aus unserer Zielgruppe von bedürftigen Frauen) aus dem Dorf angestellt, die ihm helfen neben seinem normalen Nähbetrieb noch unsere Taschen zu fertigen. Das ist nicht als Dauerlösung gedacht, aber wir brauchen dringend ein paar Taschen, denn ohne ein konkretes Produkt zum zeigen, können wir auch nichts verkaufen.

IMG_3114 IMG_4511Unser Gepäck steht noch draußen. Wen interessiert’s. Sofort sind wir wieder Feuer und Flamme für unser gemeinsames Taschen-Projekt. Prakriti ist froh, endlich wieder Sparrings-Partner zu haben und berichtet uns, was während unserer Abwesenheit alles passiert ist, wo wir stehen und welche Ideen sie hat. Sie ist wirklich eine klasse Frau und super clever. Und der Hammer ist, dass sie eine Bestellung aus Australien für 60 Taschen an Land gezogen hat. Bis spät in den Abend diskutieren Gokul, Oliver, Prakriti und ich die verschiedenen Aspekte, Themen, Strategien und To-Dos unseres kleinen Social Business. Wir sind wieder zurück! Es gibt jede Menge zu tun! Gleich morgen treffen wir uns mit Goma von Shakti-Milan und dann werden wir entscheiden wie es mit dem Business weitergeht.

Wir gehen in die Luft und unter Wasser

Wir stehen sehr früh am morgen auf, um den Sonnenaufgang mit Bergpanorama von der Aussichtsplattform zu sehen. Dafür sind wir schließlich hier in Sarankot auf den Berg gefahren. Ein Blick aus dem Fenster bringt Ernüchterung. Eine Wolken- und Nebelsuppe umgibt uns. Kein blauer Himmel, keine Sicht. Aber vielleicht ist das von der Plattform aus ja anders und so stiefeln wir trotzdem noch vor dem Frühstück den Berg bis ganz nach oben hoch. Unterwegs kommen uns jede Menge Menschen entgegen, die schon wieder runterklettern. Als wir endlich oben sind, wissen wir auch warum. Es ist absolut gar nichts vom grandiosen Bergpanorama zu sehen. Schade! Schnell noch ein paar Fotos. Haben wir einen neuen Trend verpasst? Oder warum machen Chinesen Selfies nur mit Helm?

IMG_4490IMG_8660Aber die Sonne kommt langsam durch und es wird wärmer. Also gehen wir zurück zum Hotel um ausgiebig in der Sonne zu frühstücken. Und siehe da, ca. 2h später hat die Sonne es geschafft und die Wolken vertrieben. Ganz langsam, nach und nach schält sich ein Berg nach dem anderen aus den Wolken. Und obwohl wir ja mittlerweile wissen, wie die Berge aussehen und dass sie immer da sind, auch wenn wir sie nicht sehen, ist das jedes Mal ein atemberaubender Anblick, wenn die schneebedeckten Gipfel der 7-8 tausend Meter hohen Berge dann tatsächlich vor dem blauen Himmel auftauchen. Wir trainieren das Frühstück dann auch gleich wieder ab, indem wir noch einmal den Berg zur Aussichtsplattform hochlaufen um das ganze Panorama zu genießen. Life is Good!

IMG_8680 IMG_8679Dann packen wir unsere Rucksäcke und machen uns auf zum Absprungplatz der Paraglider. Wir haben ja schließlich heute etwas Besonderes vor und sind schon ganz schön aufgeregt. Und wir können unser Glück kaum fassen, dass wir sehr wahrscheinlich heute beim Absprung das komplette Bergpanorama sehen können. Das ist schon etwas Seltenes. Der Sprungplatz wimmelt nur so von bunten Gleitschirmen, aufgeregten Touris, Sportfreaks und Gleitschirmpiloten. Unsere Crew ist noch nicht da und wir müssen noch ein Stündchen in der Sonne warten, bevor es dann für uns auch losgeht.

IMG_8685Als es dann soweit ist und an den Start geht, bekomme ich die Instruktion zu laufen, nur zu laufen und nicht zu springen. Guck auf den Horizont, nicht nach unten und lauf, sagt mein Gleitschirmpilot zu mir. Kurz wird mir flau im Magen und ich überlege auf was ich mich da eigentlich eingelassen habe. Als der Gleitschirm dann etwas Wind bekommt bin ich sofort in der Luft. Ich komme gar nicht dazu zu laufen und bevor ich noch bis 2 zählen kann, gucke ich auf den Absprungplatz in 100 Meter Entfernung unter mir. WOW. Das macht Spass. Ich fliege wie ein Adler. Oliver taucht irgendwann auch neben, unter und über mir in der Luft auf und gemeinsam mit vielen anderen bunten Schirmen schwingen wir durch die Luft und schrauben uns immer Höher. Und einige Adler fliegen tatsächlich mit uns mit. Aus der Nähe betrachtet sind sie beeindruckend groß. Wir sehen die Berge, wir sehen den Phewa See, wir sehen all die Terrassenfelder und kleine Hütten, das Netz aus Trampelpfaden, dass sich über die Bergrücken zieht. Es ist wirklich toll. Nach ca. einer halben Stunde landen wir dann gemütlich am Ufer des Sees und trinken einen Tee in der Sonne. Und dabei haben wir beste Unterhaltung! Nach und nach trudeln nämlich auch die anderen Paraglider-Touristen ein, um direkt vor uns zu landen. Am meisten Spaß macht es uns, die Chinesen zu beobachten. Irgendwie sind deren Mägen nicht so robust und so muss sich jede Zweite im Landeanflug übergeben. Die armen Piloten.

IMG_8689 IMG_8696 IMG_8708 IMG_8710 IMG_8724 IMG_8738Wir hängen noch eine lange Weile an diesem schönen Spot, beobachten die Paraglider, freuen uns über unseren gelungenen Sprung, essen lecker Curry, stellen wieder einmal fest, dass man einfach Dinge machen muss und genießen die Sonne.

Irgendwann machen wir uns dann zu Fuss auf den Rückweg nach Pokhara, denn unser Fallschirmteam ist schon längst ohne uns abgefahren. Happy und völlig verschwitzt sammeln wir unsere Klamotten im Office von Mountainflyer ein und checken für eine weitere Nacht im Moonlight Resort in Pokhara ein. Oliver macht die Zimmertür auf und rennt direkt ins Badezimmer um auszutesten, ob die Dusche warm wird. Und danach verschwindet er fast augenblicklich für sehr lange Zeit im Badezimmer, aus dem ich in regelmäßigen Abständen Freudenrufe hören kann. Die erste warme Dusche nach vielen Tagen. Was für eine Wonne. Wir hatten irgendwie vergessen, wie glücklich warmes Wasser machen kann. Nachdem auch ich gründlich eingeweicht und sauber gewaschen bin, leisten wir uns den Luxus des Hotel-Express-Wäscheservices und bringen alle unsere Klamotten zum Reinigen. Hoffentlich ist damit dann auch das Kapitel meiner mysteriösen Stiche an Armen und Beinen beendet.

Abends treffen wir uns mit Rebecca, einer anderen Volontärin, in einem Koreanischen Restaurant. Es ist Vollmond, unser letzter Abend in Pokhara, wir haben den Gleitschirmflug überlebt…wenn das mal nicht alles Gründe zum feiern sind. Wir gönnen uns einen ganzen Tisch voll Leckereien ohne Reis und dazu noch ein Gläßchen Wein. Wehmütig denken wir daran, dass wir schon in ein paar Tagen Nepal verlassen müssen. Die Zeit ist unglaublich schnell vergangen und mittlerweile bewege ich mich mit so einer Leichtigkeit und Sicherheit durch dieses Land, dass ich es hier gut noch eine Weile aushalten könnte.

Mit dem Local Bus zurück nach Pokhara und weiter nach Sarankot

Heute verbringen wir wieder den größten Teil des Tages im Bus. Nach dem Frühstück in der Sonne in Gorkha geht es los. Sidi ist schon früh um 7 Uhr losgezogen um unser Bus-Ticket zu organisieren. Wir wollen heute die letzte Etappe zurück nach Pokhara und weiter nach Sarankot zurücklegen.

Ein kleiner Microbus stoppt direkt bei uns vorm Hotel. Sidi der Fuchs hat es geschafft, dass wir nicht wieder unser ganzes Gepäck den Berg zum Busbahnhof runterschleppen müssen, sondern vor der Tür abgeholt werden. Und tolle Plätze haben wir. Mit viel Beinfreiheit für Oliver. Der Traum währt keine 5 Minuten. Dann stellen wir fest, dass der Bus nach Kathmandu fährt und wir nach Pokhara wollen. Also schnell anhalten, rausspringen, Rucksäcke vom Dach holen und schon stehen wir wieder am Strassenrand mit unserem ganzen Plunder.

Wir nehmen einen anderen Bus, einen Local Bus (wieder so einen mit der tollen Bollywood Musik, bei der man nach stundenlanger Dauerbeschallung einen Dachschaden bekommt). Bis der Bus voll ist und losfahren kann, dauert es noch knapp eine Stunde. Dafür ist er dann aber auch richtig schön voll und Oliver kommt wieder in den Genuss von einigen Frauenhänden, die sich an seinen Knien festhalten. Ansonsten ist die Fahrt unspektakulär und nach ca. 5 Stunden sind wir wieder in Pokhara.

IMG_4482 IMG_4483Hier verabschieden wir uns nach 10 Tagen von Sidi und fahren im Taxi weiter nach Sarankot, einem kleinen Dorf oberhalb von Pokhara in den Bergen. Von hier werden wir morgen Paragliding machen, wenn uns bis dahin der Mut nicht verlässt.

Die Herberge, in der wir untergebracht sind, hat einen Wifi-Anschluss und so verbringen wir den Nachmittag damit, uns nach 10 Tagen in der Abgeschiedenheit von Swaragau, wieder mit der Welt zu vernetzen. In der Zwischenzeit wurden in Kathmandu fleissig Taschen produziert und neue tolle Reissack-Motive gefunden. Und zum Welt-Aids-Tag gab es einen Artikel in der Bielefelder Neuen Westfälischen und der Onlineplattform von Burda über unsere Aktivitäten hier in Nepal. Den Kontakt hat Olivers Mutter hergestellt, die wir zur Pressechefin ernannt haben. Super Job! Weiter so! Mal gucken, ob wir dadurch noch weitere Spendengelder bekommen.

Abschied aus Swaragau und der lange Weg zurück aus der Steinzeit

Wir stehen heute sehr früh auf und packen trübselig unsere Sachen. Wir sind beide traurig über unseren bevorstehenden Abschied aus diesem Dorf, daß uns in den letzten 10 Tagen so sehr ans Herz gewachsen ist.

IMG_4467Noch in Berlin dachten wir, daß Swaragau ein riesiger Schritt hinaus aus unserer Kompfortzone sein wird. Ich glaube, wir sprachen sogar von „Grenzerfahrung“ und waren dementsprechend vorher besonders aufgeregt. Wir haben uns gefragt ob und wie lange wir es überhaupt in einem Dorf mit den Standards des Mittelalters aushalten würden. Rückblickend haben wir uns einen Kopf um Nichts gemacht. Es war alles ganz einfach und wunderschön und eher eine Mischung aus „Unsere kleine Farm“ und Edersee. Wir hätten auch noch problemlos 3 Monate hier weiter leben können. Manchmal muss man Sachen einfach wagen, ist unser Fazit nach dieser Nepal-Station.

Beim Zähneputzen am Brunnen sehen wir die Gruppe der Blinden-Kinder, wie sie Blumenköpfe für unsere Abschiedskränze sammeln. Aha, da steht also wieder eine Zeremonie an. Aber das sind wir ja mittlerweile schon erfahren.

Nach dem Frühstück geht es dann los. Wir haben noch unsere letzten Mitbringsel unter die Leute gebracht, die Sonnencreme den Albinos vererbt und die Thermoskanne an unsere Hausmutter verschenkt. Dann wird das Kochzelt abgebaut und wir sind startklar zum Abstieg. Die Kinder aus dem Waisenheim sind samt Pflegeltern angerückt und jeder schenkt uns zum Abschied einen Blumenkranz. Tika mit viel roter Farbe bekommen wir natürlich auch. Auf dem Dorfplatz stehen wieder die 3 blauen Plastikstühle, wir nehmen Platz und bekommen von den restlichen Schülern, den Blinden-Kindern und den Lehrern weitere Blumenkränze und weiße Seidenschals. Aber dieses mal ist die Stimmung eher gedrückt und nicht so euphorisch, wie bei unserer Ankunft. Wer weiß, ob wir jemals wiederkommen? Als wir dann mit unseren Rucksäcken den Abstieg beginnen, müssen wir doch beide ein ganz kleines bisschen weinen (hat aber keiner gesehen) ;-).

IMG_8633IMG_8635 IMG_8640Meter um Meter steigen wir über die Steintreppen hinab ins Tal und durchbrechen dabei die Wolkendecke. Und im Tal erwartet uns dann wieder der Anschluss an die Welt, ein Internetzugang, Konsum, Nachrichten, E-mails, alles, was wir für eine Weile komplett unter der Wolkenschicht im Tal gelassen hatten.

IMG_8642Auf halber Strecke überholen uns die 2 Jungs, die heute unseren Rucksack schleppen. Echt eine Schmach. Sogar bergrunter sind wir schneckenlangsam und werden mühelos von den Trägern überrannt. Interessanterweise werden wir beiden Supersportler am nächsten Tag feststellen, daß wir nur vom Runtersteigen Muskelkater bekommen haben, nicht aber vom Hinaufsteigen.

Angekommen in Arkhet steigen wir in den nun schon bekannten Local Bus und schaukeln mit vielen (sehr vielen) anderen Menschen (und ein paar Tieren) die nächsten 5 Stunden zu ohrenbetäubender Bollywood-Musik, mit max. 10 km über die Geröllstrasse nach Gorkha.

IMG_4469 IMG_4472Wir sitzen direkt hinterm Busfahrer und neben ihm quetschen sich jede Menge Frauen auf einem kleinen Podest zusammen (das ist der beste Platz im Bus). Irgendwann steigt dann eine kleine runzelige Nepali Oma ein und ich sage noch zu Oliver, dass wir aufpassen müssen, dass sie uns nicht bei der nächsten Vollbremsung durch den Bus fliegt. Aber die Omi kann gut auf sich selbst aufpassen. Wie selbstverständlich nimmt sie sich Olivers Knie und hält sich für die nächsten Stunden daran fest. Dann verständigen wir uns auch noch, wann ich das Fenster zu öffnen habe, damit sie ihren Müll rauswerfen kann und als sie uns kurz vor Gorkha eine Mandarine anbietet, sind wir schon gute Freunde geworden.

In Gorkha übernachten wir in einem Hotel und springen als erstes unter die Dusche. Darauf haben wir uns schon lange gefreut. Aber leider vergebens, denn das Wasser der Dusche ist genauso eiskalt, wie in Swaragau. Den Aufstieg zum Königstempel sparen wir Kulturbanausen uns. Wir lesen das entsprechende Kapitel im Reiseführer durch und gehen stattdessen lieber mit unserem Guide Sidi in einer kleinen Kneipe Bier und Rakshi trinken, um so diesen Tag ausklingen zu lassen.

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Wir sammeln Müll und machen Lagerfeuer

Heute ist unser letzter voller Tag in Swaragau und wir wollen zum Abschluss mit den Kids ein Müll-Sammel-Projekt mit anschliessendem Lagerfeuer machen. Müll ist ein riesen Problem hier in Nepal. Erst mal besteht überhaupt kein Bewusstsein dafür, dass Plastik- und sonstiger Müll nicht einfach in die Umgebung geworfen werden sollte und dann gibt es auch keine wirkliche Lösung wohin mit dem Müll. Da bietet sich leider nur Entsorgung im Fluss oder Verbrennen an. Warum soll man sich dann die Mühe machen das Zeug in einem Abfalleimer (die sowieso Seltenheitswert haben) zu sammeln? Wir möchten zumindest die Schulkinder dafür sensibilisieren auf ihre Umwelt zu achten und daher machen wir heute diese Aktion. Beim Frühstück besprechen Luisa und ich das ganze noch mal mit Sidi, der das Lagerfeuer und das anschließende Essen für die Kinder organisieren soll. Wir wollen die Aktion mit allen Schulkindern und nicht nur mit den Blinden- und Waisenkindern machen und Sidi ist etwas skeptisch wie er diese Menge an Kindern versorgt bekommt. Aber ihm fällt was ein und wir sind gespannt.

Dann verbringe ich den Vormittag gemeinsam mit Luisa damit die Dokumentation über Swaragau fertig zu stellen. Wir schreiben fleißig alles auf, was wir in den vergangenen Tagen und Wochen erfahren haben und Oliver fotografiert weiter die restlichen Kinder aus Waisen- und Blindenheim sowie die Schlüsselpersonen im Ort für die Dokumentation.

IMG_8474 IMG_8468 - Arbeitskopie 2Wir sind noch mitten in unsere Arbeit am Laptop versunken, als sich unten auf dem Dorfplatz was tut. Ganz plötzlich haben sich sämtliche Schulklassen in Reih und Glied aufgestellt und an der Spitze jeder Gruppe steht ein großer Korb. WOW. Wir sind beeindruckt. Es ist erst 14:40 Uhr und wir wollten die Müll-Sammel-Aktion um 15:00 Uhr starten. Das ist ja Nepali-Zeit Rückwärts. Schnell machen Luisa und ich uns fertig, damit wir auch pünktlich unten auf dem Dorfplatz erscheinen. Unten angekommen grinst Sidi mich erwartungsvoll an. Ja, das hast Du super organisiert, Kompliment!, sage ich zu ihm. Er grinst weiter und sagt, jetzt musst Du eine Ansprache halten, sind ja alle da. Öh, ja, Ähm…klar sage ich was…. Und da ich sowieso unvorbereitet am Besten bin, stelle ich mich vor die Meute und sage ein paar Worte, die dann von Sidi noch auf Nepali übersetzt werden. Und dann geben wir den Startschuss zum Sammeln. Die Kinder fassen das als Wettbewerb auf und stürmen los.

IMG_8498 IMG_8511 IMG_8517Luisa und ich begleiten die Blinden-Kinder Gruppe beim Sammeln und gemeinsam ziehen wir durch den Ort und räumen auf. Die Dorfbewohner winken uns zu, freuen sich über die Aktion und einige geben uns bei der Gelegenheit auch gleich noch ihren Hausmüll mit ;-).

Als wir mit vollem Korb wieder zurück zum Dorfplatz kommen, ist dort die Hölle los. Einige Gruppen sind schon zum x-ten Mal wieder losgezogen, nachdem sie ihren Korb entleert haben. Die Gruppen wetteifern gegeneinander, wer den meisten Müll anschleppt. Oliver macht fleißig Fotos von jeder Gruppe vor ihrem jeweiligen großen Müllhaufen. Unglaublich, was ist nur 1h an Müll auf dem Dorfplatz angeschleppt wurde. Und was für eine Begeisterung bei den Kindern herrscht. Sie haben echt einen Heidenspaß und wir auch! Parallel haben wir auch eine Gruppe zum Holzsammeln losgeschickt und auch diese Gruppe kommt mit einer unglaublichen Menge an Brennholz zurück und ist mächtig stolz auf ihre Ausbeute.

IMG_8530 IMG_8561Nach ca. 1 h Stunde haben wir den Dorfplatz in eine riesige Müllhalde verwandelt und Sidi und die Lehrer gucken mich fragend an. Was jetzt? Wohin mit dem Zeugs? Öh, keine Ahnung, da fragt ihr mich? Vielleicht schaffen wir erst mal alles auf einen großen Haufen und ihr überlegt Euch dann, was wir damit machen, schlage ich vor. Okay, so machen wir es. Sidi, der Schulleiter und ich klettern wieder auf einen Felsen und erklären die nächsten Schritte. Schritt 1: alle Gruppenhaufen zu einem großen Haufen zusammenräumen; Schritt 2: HÄNDEWASCHEN! ALLE! MIT SEIFE!!; Schritt 3: Es gibt Kekse (hatten wir nicht geplant, aber Oliver hat fix den kompletten Bestand aus dem Dorfladen aufgekauft); Schritt 4: wir machen Lagerfeuer; Schritt 5: wir essen Reis und haben Spass! Die Kids können alle 5 Schritte mühelos behalten und legen los.

IMG_8540 IMG_8563IMG_8549Nachdem wir den Müll zusammengeräumt haben, stelle ich mich an den Wasserhahn und verteile unser tolles Alles-Könner-Seifenkonzentrat aus dem Berliner-Globetrotter in eine Unmenge von schmutzigen Kinderhänden. Meine Güter, was mir da für Hände entgegengestreckt werden. So viele unterschiedliche aber richtig dreckige Hände habe ich ja noch nie gesehen. Auch das macht einen Riesenspaß.

IMG_4462IMG_8588Als es dann bei Schritt 3 die Kekse gibt, werden diese irgendwie eingeatmet. Innerhalb von Sekunden ist der gesamte Keksvorrat des Dorfes in Kinderhosentaschen und in Kindermündern verschwunden. Beeindruckend!!

IMG_8603Das Lagerfeuer ist dann ein weiterer Knaller. Weil Lagerfeuer eigentlich immer und Überall funktioniert: auf einem Teamevent bei PayPal genau wie im hintersten Winkel von Nepal: alle lieben Lagerfeuer ;-). Der blinde Lehrer fängt an zu singen, eine Trommel ist auch schnell gefunden und dann fangen gleich 3 kleine Mädels an dazu ums Feuer zu tanzen. Die Gesänge werden lauter, irgendwann gibt es einen Jungen und einen Mädels Chor, die das gleiche Lied gegeneinander singen und jede Menge ums Feuer herum tanzende Kinder. Großartig!

IMG_8614 IMG_8625Irgendwann ist dann Schluss, denn die Schulkinder müssen ja noch nach Hause laufen. Ohne Murren packen sie ihre Rucksäcke und ziehen von Dannen. Wir bleiben mit ein paar Lehrern und Dorffrauen am Feuer sitzen. Es kommen immer wieder neue Leute dazu, einige verschwinden, ab und zu zieht eine Ziegenherde über den Platz, wir bleiben sitzen und genießen die Wärme und unseren letzten Tag in Swaragau. Irgendwann beschließen wir dann auch unser Abendessen ans Feuer zu verlegen, die Blinden-Kinder stoßen dazu, der Schulmeister kommt vorbei, Sidi flirtet mit zwei Lehrerinnen, wir singen noch das ein oder andere Liedchen und sind happy. Was für ein Tag!

Und wo ist der Müll geblieben? Hinter einem Schulgebäude, nah am Fluß, wurde kurzerhand eine Müllhalde eröffnet.