Wie üblich planen wir am Frühstückstisch den Tag und was wir wann machen wollen. Die To-Do Liste ist lang und so splitten wir die Aufgaben erst mal auf. Oliver zieht direkt nach dem Frühstück mit Krishna los, um die Fotos für Swaragau auszudrucken und Batterien für die Cameras zu kaufen. Wir haben vor, den Blinden- und Waisenkindern jeweils ihre Portraitfotos zu schenken und die Fotos des Fotoprojektes in den Klassenzimmern aufzuhängen. Bei dem Staub und Dreck in Swaragau muss allerdings jedes Foto laminiert werden, damit es eine Überlebenschance hat.
Ich gehe mit Prakriti auf Tour. Zuerst besuchen wir Sunita in ihrem Laden, gucken uns die zweite Tasche von ihr an (leider knistert die und wir können sie nicht verwenden, aber die Näharbeit ist sauber) und machen Bestandsaufnahme, was sie noch an Materialien braucht. Der nächste Stop ist bei einer Frau aus der Kaste der Unberührbaren. Sie hat eine alte Nähmaschine auf der Straße stehen und näht dort. Prakriti hat sie angesprochen, ob sie für uns arbeiten möchte. Nun geben wir ihr eine Tasche als Muster und bitten sie, dass sie die kopiert. Dann sehen wir, wie gut ihre Nähkünste sind und wo sie noch Training braucht. Das größte Problem ist der Dreck auf der Straße. Wenn sie für uns arbeitet, kann sie das nicht auf der Straße machen. Jetzt ist es an der Zeit Goma und die Shakti-Milan-Ladies beim Wort zu nehmen und die Gemeinschaft auch für andere Bedürftige Frauen zu öffnen. Der Raum bei Shakti-Milan ist gut geeignet und unser Nähmaschine wesentlich besser als die der Frau, die übrigens Maghmalli heißt. Wir besuchen auch noch eine andere potenzielle Mitarbeiterin, die wir vom lokalen Bettdeckenfabrikanten empfohlen bekommen haben. Sie hat auch eine Tasche von uns zum kopieren bekommen und jetzt sind wir gespannt auf das Ergebnis. Leider gibt es kein Ergebnis. Die Frau hat schon in der Vergangenheit Taschen genäht und keine Bezahlung erhalten. Aufgrund der schlechten Erfahrungen gibt sie uns einen Korb. Auch okay, immerhin war sie offen und ehrlich zu uns.
Weiter geht es zum Müllhändler. Sunita braucht mehr Reissäcke. Der Müllhändler hat einen ganzen Raum voller sortierter Reissäcke. Ein El Dorado für uns. Leider ist er ein Fuchs. Prakriti hat bereits einmal bei ihm gekauft und jetzt, wo sie wiederkommt und nur bestimmte, ausgewählte Motive haben möchte, verdoppelt er mal kurz den Preis. Vielleicht ist es aber auch mein weisses Gesicht was die Preise in die Höhe schnellen lässt. Wir spielen nicht mit und verlassen ohne Säcke den Laden. Wenige Meter weiter entdecken wir einen anderen Müllhändler. Dieses Mal geht Prakriti alleine rein und ich bewache unseren Scooter. Nach 20 Minuten kommt sie wieder, mit einer tollen Auswahl neuer Reissackmotive und zu einem guten Preis. Der Händler hat jetzt ihre Nummer und wird sie anrufen, sobald sein Vorrat wieder aufgefüllt ist.
Das war ein erfolgreicher Morgen und wir fahren zum Mittagessen nach Hause. Aber wo sind die Männer? Keine Ahnung. Ama fragt nach Oliver, die Schwestern, Durgha die Lehrerin, alle sind besorgt und ich kann immer nur sagen „Shiriman, chaina“ (Nix Ehemann). Irgendwann gebe ich die Warterei auf und esse Mittag. Kurz darauf kommt Oliver zufrieden um die Ecke. Seine Einkäufe sind erledigt, er ist unterwegs mit Krishna in Bhagwan gerannt, der hat noch einen Freund angerufen und dann ist die ganze Männerrunde erst mal MoMo essen gegangen. Das hat uns aber im Zeitplan etwas zurückgeworfen, denn wir sind für den späten Nachmittag in Pathan mit Valerie verabredet, die auch aus Berlin kommt und seit 4 Wochen bei der GIZ (Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit) in Kathmandu arbeitet. Den Kontakt hat eine ehemalige Kommilitonin von mir vermittelt und nach einigen Telefonaten sind wir jetzt gespannt uns persönlich kennen zu lernen.
Mit dem Taxi machen wir uns auf den Weg in die Nachbarstadt. Wir schauen kurz bei der GIZ vorbei um festzustellen, dass Valerie in einer anderen Zweigstelle arbeitet. Dann verabreden wir uns in ihrem Hotel für den Abend und gehen erst mal auf den Durbar Square (also den ältesten Platz) der ehemaligen Königsstadt Pathan. Auch das ist ein Weltkulturerbe und mit seinen uralten Palästen und Holzschnitzereien sehr beeindruckend und einfach nur schön. Die dunkelbraunen Holzbauten, mit ihren roten Dächern vor der Kulisse des Himalaya ist schon fast kitschig. In einem kleinen Restaurant, in dem Oliver nicht aufrecht stehen kann, essen wir etwas, trinken Tee und beobachten das Treiben auf dem Platz bevor wir zu Fuss einmal quer durch die Altstadt laufen um uns mit Valerie zu treffen. Oliver führt mich durch das Gewirr aus Gassen, was eine wahre Meisterleistung ist, da es hier ja keine Straßennamen gibt und keiner der Passanten einem genau auf dem Stadtplan zeigen kann, wo wir eigentlich sind.
Mit Pathan haben wir nach so langer Zeit noch mal ein ganz neues Gesicht vom Kathmandutal kennengelernt. Hier ist es wesentlich sauberer und gepflegter, es gibt eine ganze Reihe von westlichen Lokalen, Cafes und Supermärkten und viele Weiße auf den Straßen. In Pathan haben so ziemlich alle NGOs und ausländische Hilfsorganisationen ihren Sitz und dementsprechend viele Expats wohnen hier, was natürlich das Stadtbild beeinflusst.
Mit Valerie verbringen wir einen netten Abend im Kaminzimmer ihres Hotels. Sie erzählt uns von ihrer Arbeit, ihren ersten Erfahrungen auf den Dörfern in Nepal und wie sie überhaupt hier hingekommen ist. Wir erzählen vom Taschenprojekt und teilen unsere Nepal-Erlebnisse. Valerie bestellt auch gleich 3 Shakti-Milan-Bags und wir verabreden uns zu einem weiteren Treffen am Samstag auf dem Farmersmarket.