Wir stehen sehr früh am morgen auf, um den Sonnenaufgang mit Bergpanorama von der Aussichtsplattform zu sehen. Dafür sind wir schließlich hier in Sarankot auf den Berg gefahren. Ein Blick aus dem Fenster bringt Ernüchterung. Eine Wolken- und Nebelsuppe umgibt uns. Kein blauer Himmel, keine Sicht. Aber vielleicht ist das von der Plattform aus ja anders und so stiefeln wir trotzdem noch vor dem Frühstück den Berg bis ganz nach oben hoch. Unterwegs kommen uns jede Menge Menschen entgegen, die schon wieder runterklettern. Als wir endlich oben sind, wissen wir auch warum. Es ist absolut gar nichts vom grandiosen Bergpanorama zu sehen. Schade! Schnell noch ein paar Fotos. Haben wir einen neuen Trend verpasst? Oder warum machen Chinesen Selfies nur mit Helm?
Aber die Sonne kommt langsam durch und es wird wärmer. Also gehen wir zurück zum Hotel um ausgiebig in der Sonne zu frühstücken. Und siehe da, ca. 2h später hat die Sonne es geschafft und die Wolken vertrieben. Ganz langsam, nach und nach schält sich ein Berg nach dem anderen aus den Wolken. Und obwohl wir ja mittlerweile wissen, wie die Berge aussehen und dass sie immer da sind, auch wenn wir sie nicht sehen, ist das jedes Mal ein atemberaubender Anblick, wenn die schneebedeckten Gipfel der 7-8 tausend Meter hohen Berge dann tatsächlich vor dem blauen Himmel auftauchen. Wir trainieren das Frühstück dann auch gleich wieder ab, indem wir noch einmal den Berg zur Aussichtsplattform hochlaufen um das ganze Panorama zu genießen. Life is Good!
Dann packen wir unsere Rucksäcke und machen uns auf zum Absprungplatz der Paraglider. Wir haben ja schließlich heute etwas Besonderes vor und sind schon ganz schön aufgeregt. Und wir können unser Glück kaum fassen, dass wir sehr wahrscheinlich heute beim Absprung das komplette Bergpanorama sehen können. Das ist schon etwas Seltenes. Der Sprungplatz wimmelt nur so von bunten Gleitschirmen, aufgeregten Touris, Sportfreaks und Gleitschirmpiloten. Unsere Crew ist noch nicht da und wir müssen noch ein Stündchen in der Sonne warten, bevor es dann für uns auch losgeht.
Als es dann soweit ist und an den Start geht, bekomme ich die Instruktion zu laufen, nur zu laufen und nicht zu springen. Guck auf den Horizont, nicht nach unten und lauf, sagt mein Gleitschirmpilot zu mir. Kurz wird mir flau im Magen und ich überlege auf was ich mich da eigentlich eingelassen habe. Als der Gleitschirm dann etwas Wind bekommt bin ich sofort in der Luft. Ich komme gar nicht dazu zu laufen und bevor ich noch bis 2 zählen kann, gucke ich auf den Absprungplatz in 100 Meter Entfernung unter mir. WOW. Das macht Spass. Ich fliege wie ein Adler. Oliver taucht irgendwann auch neben, unter und über mir in der Luft auf und gemeinsam mit vielen anderen bunten Schirmen schwingen wir durch die Luft und schrauben uns immer Höher. Und einige Adler fliegen tatsächlich mit uns mit. Aus der Nähe betrachtet sind sie beeindruckend groß. Wir sehen die Berge, wir sehen den Phewa See, wir sehen all die Terrassenfelder und kleine Hütten, das Netz aus Trampelpfaden, dass sich über die Bergrücken zieht. Es ist wirklich toll. Nach ca. einer halben Stunde landen wir dann gemütlich am Ufer des Sees und trinken einen Tee in der Sonne. Und dabei haben wir beste Unterhaltung! Nach und nach trudeln nämlich auch die anderen Paraglider-Touristen ein, um direkt vor uns zu landen. Am meisten Spaß macht es uns, die Chinesen zu beobachten. Irgendwie sind deren Mägen nicht so robust und so muss sich jede Zweite im Landeanflug übergeben. Die armen Piloten.
Wir hängen noch eine lange Weile an diesem schönen Spot, beobachten die Paraglider, freuen uns über unseren gelungenen Sprung, essen lecker Curry, stellen wieder einmal fest, dass man einfach Dinge machen muss und genießen die Sonne.
Irgendwann machen wir uns dann zu Fuss auf den Rückweg nach Pokhara, denn unser Fallschirmteam ist schon längst ohne uns abgefahren. Happy und völlig verschwitzt sammeln wir unsere Klamotten im Office von Mountainflyer ein und checken für eine weitere Nacht im Moonlight Resort in Pokhara ein. Oliver macht die Zimmertür auf und rennt direkt ins Badezimmer um auszutesten, ob die Dusche warm wird. Und danach verschwindet er fast augenblicklich für sehr lange Zeit im Badezimmer, aus dem ich in regelmäßigen Abständen Freudenrufe hören kann. Die erste warme Dusche nach vielen Tagen. Was für eine Wonne. Wir hatten irgendwie vergessen, wie glücklich warmes Wasser machen kann. Nachdem auch ich gründlich eingeweicht und sauber gewaschen bin, leisten wir uns den Luxus des Hotel-Express-Wäscheservices und bringen alle unsere Klamotten zum Reinigen. Hoffentlich ist damit dann auch das Kapitel meiner mysteriösen Stiche an Armen und Beinen beendet.
Abends treffen wir uns mit Rebecca, einer anderen Volontärin, in einem Koreanischen Restaurant. Es ist Vollmond, unser letzter Abend in Pokhara, wir haben den Gleitschirmflug überlebt…wenn das mal nicht alles Gründe zum feiern sind. Wir gönnen uns einen ganzen Tisch voll Leckereien ohne Reis und dazu noch ein Gläßchen Wein. Wehmütig denken wir daran, dass wir schon in ein paar Tagen Nepal verlassen müssen. Die Zeit ist unglaublich schnell vergangen und mittlerweile bewege ich mich mit so einer Leichtigkeit und Sicherheit durch dieses Land, dass ich es hier gut noch eine Weile aushalten könnte.