Wir stehen heute sehr früh auf und packen trübselig unsere Sachen. Wir sind beide traurig über unseren bevorstehenden Abschied aus diesem Dorf, daß uns in den letzten 10 Tagen so sehr ans Herz gewachsen ist.
Noch in Berlin dachten wir, daß Swaragau ein riesiger Schritt hinaus aus unserer Kompfortzone sein wird. Ich glaube, wir sprachen sogar von „Grenzerfahrung“ und waren dementsprechend vorher besonders aufgeregt. Wir haben uns gefragt ob und wie lange wir es überhaupt in einem Dorf mit den Standards des Mittelalters aushalten würden. Rückblickend haben wir uns einen Kopf um Nichts gemacht. Es war alles ganz einfach und wunderschön und eher eine Mischung aus „Unsere kleine Farm“ und Edersee. Wir hätten auch noch problemlos 3 Monate hier weiter leben können. Manchmal muss man Sachen einfach wagen, ist unser Fazit nach dieser Nepal-Station.
Beim Zähneputzen am Brunnen sehen wir die Gruppe der Blinden-Kinder, wie sie Blumenköpfe für unsere Abschiedskränze sammeln. Aha, da steht also wieder eine Zeremonie an. Aber das sind wir ja mittlerweile schon erfahren.
Nach dem Frühstück geht es dann los. Wir haben noch unsere letzten Mitbringsel unter die Leute gebracht, die Sonnencreme den Albinos vererbt und die Thermoskanne an unsere Hausmutter verschenkt. Dann wird das Kochzelt abgebaut und wir sind startklar zum Abstieg. Die Kinder aus dem Waisenheim sind samt Pflegeltern angerückt und jeder schenkt uns zum Abschied einen Blumenkranz. Tika mit viel roter Farbe bekommen wir natürlich auch. Auf dem Dorfplatz stehen wieder die 3 blauen Plastikstühle, wir nehmen Platz und bekommen von den restlichen Schülern, den Blinden-Kindern und den Lehrern weitere Blumenkränze und weiße Seidenschals. Aber dieses mal ist die Stimmung eher gedrückt und nicht so euphorisch, wie bei unserer Ankunft. Wer weiß, ob wir jemals wiederkommen? Als wir dann mit unseren Rucksäcken den Abstieg beginnen, müssen wir doch beide ein ganz kleines bisschen weinen (hat aber keiner gesehen) ;-).
Meter um Meter steigen wir über die Steintreppen hinab ins Tal und durchbrechen dabei die Wolkendecke. Und im Tal erwartet uns dann wieder der Anschluss an die Welt, ein Internetzugang, Konsum, Nachrichten, E-mails, alles, was wir für eine Weile komplett unter der Wolkenschicht im Tal gelassen hatten.
Auf halber Strecke überholen uns die 2 Jungs, die heute unseren Rucksack schleppen. Echt eine Schmach. Sogar bergrunter sind wir schneckenlangsam und werden mühelos von den Trägern überrannt. Interessanterweise werden wir beiden Supersportler am nächsten Tag feststellen, daß wir nur vom Runtersteigen Muskelkater bekommen haben, nicht aber vom Hinaufsteigen.
Angekommen in Arkhet steigen wir in den nun schon bekannten Local Bus und schaukeln mit vielen (sehr vielen) anderen Menschen (und ein paar Tieren) die nächsten 5 Stunden zu ohrenbetäubender Bollywood-Musik, mit max. 10 km über die Geröllstrasse nach Gorkha.
Wir sitzen direkt hinterm Busfahrer und neben ihm quetschen sich jede Menge Frauen auf einem kleinen Podest zusammen (das ist der beste Platz im Bus). Irgendwann steigt dann eine kleine runzelige Nepali Oma ein und ich sage noch zu Oliver, dass wir aufpassen müssen, dass sie uns nicht bei der nächsten Vollbremsung durch den Bus fliegt. Aber die Omi kann gut auf sich selbst aufpassen. Wie selbstverständlich nimmt sie sich Olivers Knie und hält sich für die nächsten Stunden daran fest. Dann verständigen wir uns auch noch, wann ich das Fenster zu öffnen habe, damit sie ihren Müll rauswerfen kann und als sie uns kurz vor Gorkha eine Mandarine anbietet, sind wir schon gute Freunde geworden.
In Gorkha übernachten wir in einem Hotel und springen als erstes unter die Dusche. Darauf haben wir uns schon lange gefreut. Aber leider vergebens, denn das Wasser der Dusche ist genauso eiskalt, wie in Swaragau. Den Aufstieg zum Königstempel sparen wir Kulturbanausen uns. Wir lesen das entsprechende Kapitel im Reiseführer durch und gehen stattdessen lieber mit unserem Guide Sidi in einer kleinen Kneipe Bier und Rakshi trinken, um so diesen Tag ausklingen zu lassen.