Gut geschlafen und soviel geträumt, wie noch nie. So beginnt mein erster Tag in Nepal. An die Geräuschkulisse muss ich mich erst noch gewöhnen. Hunde, Geräusche im Haus, wenn der Baba (Vater von Gokul) um 4 Uhr bereits aufsteht und insbesondere die Reinigungsrituale der Nepali. Durch starkes Würgen und Schnäuzen wird jeglicher Kanal des Menschen gereinigt.
Mein erstes Frühstück besteht aus Pancakes von Pankriti und Müsli von Sandra sowie dem Milchtee. Ich bin zufrieden 😉
Am Nachmittag gehe ich mit Maria runter ins Child Care Center von Gokuls Organisation Access. Hier können unterprivilegierte berufstätige Mütter ihre Kinder tagsüber abgeben, also eine Art Hort bis Vor-Schulkindergarten. Die Kinder werden betreut von Volontären wie Maria und von einheimischen Lehrerinnen. Das Essen bringen die Kinder selber mit. Natürlich hatte ich mir in Berlin Gedanken gemacht, was man mitbringen kann, was auch reisetauglich ist und den Kindern Freude bereiten würde. Dabei habe ich die Zaubertafeln wiederentdeckt und davon bringe ich zwei mit in das Child Care Center. Nach erster kurzer Schüchternheit war es aber interessanter an dem großen weissen Mann anzuklammern als die Tafeln zu inspizieren. Aber Kinder sind natürlich neugierig und so wurde der Schieber entdeckt und immer hin und her geschoben. Die Tafeln gingen in den Besitz der Kinder über. Danach hat Maria mir noch die Vorschulklasse gezeigt. Brav an Tischen saßen 8 Jungen und Mädchen und schrieben in ihre Hefte. Im Flur ist an der Wand eine große Malerei über Hygiene mit Hände waschen etc. Selbst in so kleinen Räumlichkeiten werden wichtige Grundregeln für ein gesünderes Leben vermittelt.
Nachmittags folgt dann das Touri-Programm. Da ich aktuell der einzige Neue im Karmalaya-Programm bin, soll auch dies eine Einzelführung werden. Zum Glück schließen sich Kerstin und Maria an und so ziehen wir mit Nawar als Guide los. Wir besuchen die selben Sehenswürdigkeiten wie Kerstin damals (Swayambhu, der Affentempel).
Zum ersten (und nicht letzten) Mal erleben wir die Freundlichkeit und Neugierde der Kinder uns gegenüber. Kurz nachdem wir am Wunschbrunnen versucht haben, mit einer Münze in einen Trog zu treffen, damit der Wunsch in Erfüllung geht (was leider nicht geklappt hat, aber auch egal ist, denn man kann an vielen Orten seinen Wunsch in Erfüllung bringen), kommt uns eine Schulklasse in grüner Schuluniform entgegen. Ein kleine Gruppe Mädchen geht kichernd an mir vorbei und ich vernehme noch ein kleines „Hello“. Ich drehe mich um und erwidere das Hello und schon sprudelt es aus den Mündern der Schulkinder. Einstudierter erster Satz ist immer „Where do you come from?“ und ich antworte natürlich brav. Eine kleine Konversion auf englisch beginnt und ich bin überrascht, wie gut die Kinder englisch sprechen und verstehen. Da wollen die Jungs natürlich nicht nachstehen und so wurden auch Maria und Kerstin direkt ausgefragt.
Weiter geht es hoch auf den Tempelberg. Hier möchte Kerstin gerne ein Bild kaufen, dass Sie bereits beim ersten Rundgang gesehen hat und eine fast meditative Wirkung entfalten kann. Leider liegen wir in den Preisvorstellungen viel zu weit auseinander und ich erziele mit meinem Verhandlungsversuch eher das Gegenteil von dem, was ich erreichen wollte. Kerstin klärt mich auf, dass man in Nepal darauf achten muss, dass sein Gegenüber nicht das Gesicht verliert und daher sehr behutsam handeln muss. Ich spüre auch sogleich, dass ich den Bogen überspannt habe und um die Situation zu entschärfen, gehe ich nach draußen und überlasse das Geschäft den Damen. Kerstin kommt leider ohne Bild, dafür hat Maria zwei Mandalas gekauft. Von diesem Tempel, hoch oben über Kathmandu, haben wir einen tollen Blick über die Stadt bis hin zu den Gebirgen.
Um von Ort zu Ort zu kommen benutzen wir für mich zum ersten Mal ein Tuk-tuk, welches hier mehr Leuten Platz bietet als in Kambodscha. Platz ist aber relativ, denn ich muss mich die ganze Fahrt ducken, damit ich bei den diversen Schlaglöchern nicht mit dem Kopf ans Blechdach schlage.
Meine Erkältung ist nun unweigerlich da und ich versuche meinen Körper immer wieder innerlich mitzuteilen, dass dieser die Erkältung selber regeln soll. Ich habe das Gefühl er bemüht sich.
Abends sitzen Kerstin und ich alleine am Tisch, denn Maria und Mirjam gönnen sich eine Pizza in Thamel. Somit setzen sich Gokul und Pakriti zu uns und wir sitzen nach dem Essen in der kleinen Küche und diskutieren lange miteinander. Insbesondere die Beweggründe von Gokul für sein Projekt und seinem heutigen Einsatz, ein Mädchen aus einer Familie zu retten, wo sie seit vielen Jahren als Hausangestellte gehalten wird. Es ist eine besondere Herausforderung alle Beteiligten („Arbeitgeber“, Lehrer, Polizei, Mitschüler und insbesondere das betroffene Kind) so zu integrieren oder eben nichts merken zu lassen, dass die Befreiung glückt.