Der Tag fängt mal wieder mit Yoga im Karmalaya Haus an. Das tut sehr gut und danach sieht die Welt schon etwas anders aus.
Zurück bei Gokul entfaltet sich bereits am Frühstückstisch eine hitzige Diskussion über das gestrige Desaster im Nähmaschinen-Projekt, an der sich auch Prakriti und Krishna eifrig beteiligen. Allen ist unverständlich, warum gestern keine der Damen zum Nähen erschienen ist und warum Goma nicht zu erreichen war. Die Stimmung ist eher gedrückt und alle sind zerknirscht. Gokul hat mittlerweile das Thema mit der Schulung in die Hand genommen und alle Damen informiert wann und wo sie sich heute zur Schulung einfinden sollen. Das läuft also weiter. Prima.
Ich sage, dass es jetzt unsere erste Priorität ist einen Manager für die Taschenproduktion zu finden, der das ganze organisiert und Vollzeit nur für dieses Projekt zur Verfügung steht. Ausserdem brauchen wir eine Vereinbarung mit den Frauen, was wir von ihnen erwarten, einen Plan, wie die Maschine benutzt wird, eine Verwaltung der Gelder und später auch die Pflege der Vertriebskanäle, etc. Englisch ist auch ein Muss.
Es wird auch den anderen schnell klar, dass Goma das nicht alles leisten kann. Sie ist eher diejenige, die uns hilft die Taschen in den Fairtrade Läden zu positionieren und ihr Netzwerk zu mobilisieren.
Gemeinsam mit Gokul und Prakriti überlegen wir, wer so ein Manager sein könnte. Vielleicht jemand aus dem Shakti Milan Netzwerk? Sie ist gerade auf dem Dorf um jemanden zu pflegen. Wann kommt sie denn wieder, frage ich. Keine Ahnung ist die Antwort. Kann sie Englisch? Nein. Mhm! Mich beschleichen Zweifel, dass das die richtige Person für die Rettung aus unserer momentanen Misere ist. Wir gucken uns auf einer der wenigen Jobplattformen im Internet um. Und dann frage ich eher aus einem Bauchgefühl raus Prakriti, ob sie sich nicht vorstellen könnte, die Rolle des Managers zu übernehmen. Sie hat studiert, ist extrem clever, spricht super Englisch, weiss oft schneller was ich meine als Gokul und sie hat gerade etwas Zeit. Sie hat sich beworben und rechnet damit noch mind. 3 Monate auf eine Jobzusage warten zu müssen.
Das wäre für mich die ideale Lösung. Ihr vertraue ich 100%ig. Wenn sie die Finanzen und Spendengelder verwaltet, dann bin ich mir auch sicher, dass alles an der richtigen Stelle eingesetzt wird. Auch hat sie ein Händchen für Menschen und wird sehr wahrscheinlich die richtigen Näherrinnen auswählen.
Für Prakriti wäre es auch eine tolle erste Berufserfahrung. Ich würde ihr bei den nächsten Schritten helfen und die Tools zur Steuerung des Projektes mit ihr gemeinsam aufsetzen. Eine hochprofessionelle Kostenkalkulations-Matrix haben wir schon von Silke bekommen. Damit können wir unser kleines Taschenbusiness mit den Standards einer Bank wie PayPal tracken ;-). Vielen Dank dafür, Silke!!
Mir fällt auch gleich ein, dass die Chefin der Filz-Woll-Produktion, die ich gleich an meinem 2. Tag in Nepal kennengelernt habe, eine tolle Mentorin für Prakriti (oder unsere zukünftige Managerin) wäre. Von ihr kann man sehr gut lernen, wie man einen kleinen Produktionsbetrieb erfolgreich führt.
Mitten in unseren wilden Spekulationen über die Position des Managers und wie es jetzt weitergeht, ruft Goma an. Es ist alles ein fürchterliches Missverständnis. Alles schief gegangen gestern… sorry, sorry, sorry! Aber heute machen wir es besser. Alle Ladies sind um 2 Uhr im Krisenzentrum. Dann kann ich noch mal vorbeikommen. Alle werden da sein. Versprochen! WAS? Warum Krisenzentrum frage ich Gokul. Die sollen doch ins Training. Ach, sagt er, da ist heute nur Einführung. Da gehen sie dann erst morgen hin. Heute kommen sie, damit ich mit ihnen wieder eine neue Tasche nähen kann.
Nee! So nicht. Sehr deutlich sage ich, dass sie das Training bitte sehr ernst nehmen müssen. Das heisst jeden Tag, ohne Aussnahme von Anfang bis Ende dabei sein. Auch heute. Besonders heute! Okay! Das sitzt. Gokul ruft wieder Goma an. Dann die Ladies. Dann die Organisation und es wird vereinbart, dass doch alle 4 Damen zum Training heute gehen. PUH! Wir brauchen dringend einen Manager ;-).
Irgendwann am Vormittag treffe ich Prakriti alleine an und versuche noch einmal sie von dem Managerjob zu überzeugen. Sie ist skeptisch, da sie befürchtet, dass die Frauen das nicht akzeptieren werden. Sie ist nicht HIV infiziert und auch noch Gokuls Frau. Es könnte dann so aussehen, als wenn er das ganze Projekt nur gestartet hat, um seine Frau unterzubringen. Berechtigter Einwand.
Am Nachmittag kommt Goma zu uns nach Hause. Formell werde ich ins Büro gerufen. Alle sitzen auf dem Sofa und schauen mich an. So, sagt Gokul, Du kannst jetzt loslegen. Erwarten sie jetzt ein Donnerwetter von mir? Die Atmosphäre im Raum fühlt sich zumindest so an. Auch Krishna ist im Raum geblieben. Die Show wollte er sich nicht entgehen lassen. Goma kann mir nicht in die Augen schauen und ist am Boden zerstört. Ohjeh… Lieber Gott lass bitte Diplomatie vom Himmel fallen!
Wir reden lange. Ich sage, dass der gestrige Tag eine wertvolle Lernerfahrung war. So unschön es auch gewesen ist, war es wichtig für das Projekt. Mir ist klar, dass wir jemanden brauchen, der sich Vollzeit um das Projekt kümmert, etc…. Wer könnte das denn sein? Und nach einigem Hin und Her ernennen wir dann wirklich einstimmig Prakriti zur Interims-Managerin. Goma unterstützt das komplett und wird dafür sorgen, dass Prakriti auch den nötigen Rückhalt in der Shakti Milan Organisation bekommt. Prakriti selbst nimmt die Herausforderung an und mir fällt ein riesiger Stein vom Herzen. Wir werden sie für ihre Arbeit bezahlen und ich bin mir sicher, dass wir das Geld nicht besser investieren können.
Für Mittwoch verabreden wir ein Treffen mit den Damen und dann werden wir Prakriti einführen und auch mit jeder Dame einzeln eine Vereinbarung treffen.
Was für ein Meilenstein! Es geht weiter!
Am Abend habe ich noch einen Skypetermin mit Karmalaya. Sie sind skeptisch wegen der Social Experience Tour und haben einige Bedenken. Da wir kein Internet haben, marschiere ich also ins Karmalaya Haus und verbringe fast 1h im Gespräch mit Salzburg. Am Ende der unerwartete Knaller. Karmalaya will Jutebeutel an alle Volunteers austeilen und damit ein Zeichen gegen die Verwendung von Plastiktüten setzen. Und wer könnte diese Beutel besser produzieren als unsere Shakti-Milan Damen.
Das sichert uns erst mal ein kleines Einkommen und die Produktion von Jutebeuteln ist auch bestimmt einfacher als die Verarbeitung von Reissäcken. Spitze! Unser erster Auftrag und das an Tag 3 nach dem Kauf der Maschine. Damit gewinnen wir auch noch etwas Zeit um unsere Reistaschen besser ausprobieren zu können.
Zum krönenden Abschluss finde ich in meinen E-mails auch noch die Bestätigung, dass die Spendenkampagne auf Betterplace jetzt freigeschaltet werden kann. Über die Internetplattform betterplace.org kann jede Person das Taschenprojekt von Shakti Milan finanziell unterstützen und das natürlich auch mit PayPal. Einfach auf das folgende Logo klicken und schon kann es losgehen:
Was für ein Tag!!! Auf dem Rückweg nach Hause laufe ich schnell im Supermarkt vorbei und kaufe eine Flasche Wein für 11 Euro zur Feier des Tages. Gemeinsam mit Krishna, Gokul, Mirjam und Prakriti lassen wir diesen Tag im Kerzenschein und fröhlicher Stimmung auf der Terrasse ausklingen.