Farmersmarket und unsere erste Tasche

Jeden Samstag ist Farmersmarket, ein Markt, an dem vorwiegend Ausländer, die in Nepal leben ihre Produkte anbieten. Hier gibt es deutsches Brot, echten Kaffee und viele andere tolle Sachen. Unter anderem können wir hier vielleicht unsere Taschen verkaufen. Also machen wir uns am Morgen auf zu weiteren „Marktrecherchen“ bevor wir die Taschenproduktion am Nachmittag in Angriff nehmen.

IMG_3842Mirjam und zwei weitere Karmalaya Volontäre begleiten mich. Auf dem Markt kaufe ich einen Australisch-Nepalesischen Müslimix und komme direkt mit den Herstellern ins Gespräch. Sie betreiben ein Restaurant als soziales Business. Dieses Restaurant liegt im Herzen von Thamel und sie möchten es als Plattform für alle möglichen social businesses ausbauen. Sie empfehlen mir auch gleich eine günstige Druckerei für unsere Flyer für die Social Experience Tour und wir verabreden uns zu einem Besuch im Restaurent für die nächste Woche. Mal sehen, vielleicht ist das der ideale Treffpunkt für unsere Social Experience Tour und vielleicht können wir auch dort die Taschen ausstellen. In das Gespräch mischt sich dann gleich die Nepalesische Standnachbarin ein, die auch gut mit Shakti Milan bekannt ist und herzliche Grüsse ausrichtet. Die Welt in Kathmandu ist auch klein.

IMG_3843Nachdem der Marktbesuch ein voller Erfolg war, geht es nach dem Essen mit Gokul zum Krisenzentrum. Hier versammeln sich dann nach und nach sämtliche Frauen im Empfangszimmer und die Nähmaschine wird in die Mitte gestellt. Auch die Frau, bei der wir in den ersten Tagen den Hausbesuch gemacht haben, ist gekommen.

Dann kommt Goma mit Tika (der rote Fleck auf der Stirn) für die Nähmaschine und für uns alle natürlich auch. Etwas fassungslos sehe ich zu, wie das gute Stück über und über mit in roter Fabe getunktem Reis „gesegnet“ wird. Jeder tunkt seinen Finger in die Farbmasse und hinerlässt einen Farb-Reisklecks auf der Maschine. Auf dem Keilriemen, auf dem Gestell, einfach überall. Dann werden Blumenblüten gestreut. Und das alles im Nebel der Räucherstäbchen, die zum Halten in eine Banane gespiesst wurden. Na, wenn das kein Glück bringt. Ausserdem hat der Astrologe Goma auch vorausgesagt, dass sie am Freitag einen neuen Job beginnen wird.   IMG_3844IMG_3839 IMG_3841Dann wird es wieder still. Alle Frauen nehmen Platz und es folgt eine Vorstellungsrunde. Mir wird der Platz hinterm Schreibtisch zugewiesen. Nachdem mir alle Namen und Geschichten übersetzt wurden, weiss ich, dass immerhin 2 Frauen schon einmal genäht haben. Der Rest ist bereit es zu lernen. Gut für den Anfang!

Die Ladies haben eine Frage, sagt Gokul. „Wie ist unsere Marketingstrategie?“ Ich sage, dass wir erst mal ein Produkt brauchen. Ohne Produkt in der richtigen Qualität und einem einzigartigen Design können wir nicht auf den Markt gehen. Aha. Und was machen wir dann jetzt? Gokul übersetzt die Frage und guckt mich an. Auch Goma und weitere 10 Augenpaare richten sich auf mich.

Ja, super Frage! Jetzt Ladies, nähen wir unsere erste Tasche!

Ich teile die Frauen ein und Gokul übersetzt für mich. 2 Frauen erst mal die Reissäcke schön waschen. Wie waschen fragen sie. Na ja, dass sie sauber sind. Mit Wasser und einem Schwamm … aber nicht einweichen und auf die Wäscheleine, wie Wäschewaschen… ich hoffe, ich habe mich klar ausgedrückt.

Zwei weitere müssen die Nähmaschine von den Resten der Segnungen befreien.

Die beiden erfahrensten versammle ich um mich, um mit mir den Schnitt zusammenzubasteln. Praktischerweise hat Gokul ihn auf DIN A4 beidseitig ausgedruckt, der Spezi!

Den Damen wird langweilig, weil das mit dem Schnitt länger dauert. Also sage ich ihnen, sie sollen die Maschine in Betrieb nehmen und schon mal Nähen üben mit einem alten Baumwollstoff. Welche Farbe sie einspannen sollen, fragen sie. Na ja, am meisten Garn haben wir in Weiss. Also sage ich Weiss. Mir bricht der Schweiss aus. Werden wir jemals eine Tasche hinbekommen?

IMG_3831Wir fangen erst einmal an das Futter aus dem pinken Baumwollstoff zuzuschneiden. Das ist einfach. Dann bitte ich die Ladies an der Maschine die Seiten zusammen zu nähen.

IMG_3837Derweil widmen wir uns dem Zuschneiden des Reissacks. Wo sind denn die Reissäcke? Noch beim Waschen? Nach einigem Hin-und Her tauchen sie wieder auf.

Wir schneiden die Teile zu. Ich möchte das Kreisrunde Logo in der Mitte der fertigen Tasche haben. Wenn man den Schnitt auf den Reissack legt, dann erscheint es aber nicht in der Mitte und wird halb abgeschnitten. Ich frage die Ladies, was sie hier tun würden, um ihnen klar zu machen, dass sie ein Auge für so etwas entwickeln müssen und dass sie den Sack nicht irgendwie ausschneiden können. Keine Idee. Schade, dabei ist es ganz einfach. Egal.

IMG_3835Kurz gucke ich mal an der Nähmaschine vorbei. Der pinke Baumwollstoff ist halb zusammengenäht und hat jetzt schwarze ölige Flecken bekommen. Nanu? Wie kommen die denn darauf frage ich Gokul, der für mich übersetzt. Tja, war wohl etwas Nähmaschinenöl an den Fingern. Schlimm? Fragt mich die Dame an der Maschine? Ja! Sage ich. Das ist schlimm. So was ist ein No-Go wenn wir Taschen mit hoher Qualität produzieren wollen. Im Geiste plane ich viel mehr Zeit für Training in meinen Projektplan ein. Das wird dauern, bis wir vernünftige Qualität liefern können.

Dann geht die Tür auf und Rettung naht. Eine Shakti-Milan Dame kommt, die schon als Bekleidungsschneiderin gearbeitet hat. Sie hat zwar noch nie Taschen genäht, aber sie kann mit der Maschine umgehen und hat auch schon mal zugeschnitten. Erleichtert atme ich auf.

IMG_3834Da nicht alle 10 Damen gleichzeitig beschäftig sind, fangen sie an sich andere Tätigkeiten zu suchen. Eine macht uns Milchtee und Marmeladentoast, eine andere zeigt mir ihre Häkelarbeiten. Ach! Du kannst häkeln! Toll. Schnell schneide ich ihr Häkelgarn aus Plastiktüten zu, wie ich es im Youtube Video gesehen habe und lasse sie aus dem Plastikgarn ein Täschchen häkeln. Nach anfänglichem Stutzen macht sie das auch ganz brav für die nächsten 3 Stunden.

IMG_3836Nach und nach nähen wir unsere erste Reissack-Tasche zusammen. Es dauert schon sehr lange und wird gegen Ende ein bisschen zäh. Die Kinder kommen und pflügen durch alle Sachen. Dann mache ich ein bisschen Musik mit dem I-Phone und die Stimmung lockert sich wieder etwas. Die Tasche ist schon zu erkennen. Jetzt nur noch mal alle Nähte von aussen absteppen. Ein Zick-Zack Stich wäre schön, denke ich und bitte die Näherin die Nähte Zick-Zack abzusteppen. Gokul ist bereits gegangen und die Kinder helfen mir beim Übersetzen. Warum die Näherin jetzt anfängt Schlangenlinien zu nähen, wird mir erst nach einer ganzen Weile klar. Unsere Maschine hat gar keinen Zick-Zack stich, sie kann nur geradeaus. Nun gut, dann muss unser Design eben ohne so etwas auskommen.

Als die Tasche fertig ist, gibt es allgemeines Aufatmen. Ich finde sie wirklich schön. Die Damen sind etwas skeptisch. Aber da wir alle müde sind, freuen wir uns über unser erstes Stück und verabreden uns für morgen wieder. Eine der Damen begleitet mich nach Hause. Ich muss unbedingt mehr Nepali lernen, denn die gemeinsame Rückfahrt verlief in unangenehmem Schweigen, nachdem wir anfangs erfolglos versucht hatten uns auszutauschen.

IMG_3833 IMG_3832Zu Hause angekommen wollen alle natürlich die Tasche sehen. Nun ja, vielleicht ist sie noch nicht perfekt. Etwas unpraktisch im Tragen und etwas seltsam geformt an einigen Stellen. Aber es ist eine Tasche aus einem Reissack. Unsere erste selbstgemache Tasche! Was habt ihr denn gedacht ? Gokul und Prakriti brechen in schallendes Gelächter aus. Und auch Gokul stellt jetzt seine Pläne von einem Export der Taschen nach Europa zeitlich ein wenig zurück. Da haben wir noch einen langen Weg zu gehen.

Und morgen gehen wir den nächsten Schritt.

Am Abend kämpfe ich noch mit der Spendenkampagne auf Betterplace. Irgendjemand hat schon mal ein Profil für Shakti-Milan angelegt. Und dafür muss ich erst freigeschaltet werden, bevor ich meine Kampagne unter dem Namen laufen lassen kann. Nach einer Woche hin-und her Telefoniererei drehen wir uns immer noch im Kreis. Die Dame im Büro ist komplett überfordert und auch ihr Mann kann nicht helfen. Ich verstehe zwar das Problem nicht, aber Oliver erklärt es mit „du bist in der Steinzeit gelandet, da kennen die kein Internet“. Obwohl es nicht richtig ist, lege ich die Organisation Shakti-Milan ein zweites Mal auf Betterplace an. Wir kommen sonst nicht weiter. Das Problem mit der Pflege der Internetpräsenzen müssen wir auch dringend angehen.

Ein aufregender Tag! Bin schon sehr gespannt auf morgen!

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