Die Sonne scheint wieder. Nach 2 Tagen mit Dauerregen, Gewitter und Kälte atmen heute alle erleichtert auf und finden zu ihrem gewohnten Rhythmus zurück. Die Mützen werden weggepackt, die morgendliche Wäsche-Waschaktion und die Babymassage auf der Terrasse finden wieder wie gewohnt statt. Herrlich!! Winter in Kathmandu ist nicht schön. Da ist es zu Hause gemütlicher.
Am Morgen besprechen wir die Agenda für die Social Experience Tour. Wir haben alle Familienmitglieder irgendwie eingebaut. Tee bei Prakritis Eltern, Tika vom Vater, Dal Bhat Essen bei Ama in der Küche und dazwischen Besichtigungen des HIV Krisenzentrums und des Kinder-Übergangsheimes (Transitional Home). Und zum krönenden Abschluss eine Art Fireside-Chat mit Gokul, dem sozialen Aktivisten in unserem Wohnzimmer.
Die Tour findet ab November jeden ersten Sonntag im Monat statt. So kann ich noch die ersten beiden Touren federführend durchführen und dabei direkt das Team anlernen. Idealerweise werden wir für die zukünftigen Touren durch College-Studenten unterstützt, die sich im sozialen Bereich engagieren.
Und dann brechen Gokul und Prakriti zum Treffen mit den Leuten von Cap Nepal auf um dort gemeinsam mit Goma und 2 Damen aus dem Nähteam das Taschen-Projekt zu besprechen. Das ist eine Angelegenheit unter Nepalis und läuft besser ohne mich. Gokul und Goma haben von mir eine lange Liste mit Fragen bekommen, deren Antworten sie in dem Gespräch herausfinden sollen. Ich bin sehr aufgeregt und gespannt wie ein Flitzebogen.
Den Nachmittag verbringe ich mit meiner Zimmernachbarin Mirjam in Kathmandu. Auf dem Hinweg verreckt unser Tuk-Tuk auf der Strasse und wir müssen uns ein neues suchen. Angekommen im Gewusel der Hauptstadt, schlendern wir durch die Strassen und machen wieder Marktrecherchen. In der Altstadt entdecken wir gleich eine ganze Strasse, in der Stoffe verkauft werden. Sehr interessant und für das Taschenprojekt absolut brauchbar.
Die Nepalis kaufen alles in der Altstadt. Kühlschränke, Lebensmittel, Unterwäsche, ja sogar Autos gibt es da angeblich. So langsam fügt sich das Bild. Man kann nämlich andauernd Träger sehen, die mit Kühlschränken auf dem Rücken rumlaufen. Wahrscheinlich tragen sie die gekaufte Ware zum nächsten Taxi. Freue mich schon auf den Moment, wo ein Träger mit unserer Nähmaschine auf dem Rücken zum Taxi marschiert!
Wir besichtigen den Durbar Square. Hier wimmelt es vor Sehenswürdigkeiten und Menschen. Die alten Gebäude sind toll. Und die Touristen hier sind noch viel interessanter. Gespannt beobachten wir, wie sie sich verhalten und versuchen einzuschätzen, ob sie wohl unsere Taschen kaufen würden oder sich zur Social Experience Tour anmelden würden.
Wir gönnen uns eine Tee-Pause (4 Uhr Nachmittagstee ist jetzt ein fester Bestandteil meines Tages) in einem wunderbar alten und stilvollen Restaurant. Hier gibt es einen schönen Garten und für ein paar Momente sind die Hektik und der Lärm von Kathmandu vergessen. Dieser Ort könnte auch ein idealer Treffpunkt sein, um unsere Social Tour zu starten.
Weiter geht es nach Thamel, ins Touriviertel. Hier finden wir in der Mandala Street eine Reihe von Fair-Trade Läden. Taschen aus Reissäcken werden hier auch verkauft. Aber eben nur so genäht, ohne Blick für schöne Motive, Farben oder Design. Der Preis ist wirklich günstig. Ich kaufe eine Tasche für 500 Rupien (4,50 Euro) und denke mir, dass wir für unsere Produkte mehr verlangen müssen um uns zu refinanzieren.
Auf dem Rückweg haben wir das totale Verkehrschaos. Alle wollen nach Hause. Es ist dunkel (wird hier schon um 17.30 dunkel) und alle Transportmöglichkeiten bis weit über die Überlastungsgrenze vollgestopft. Keine Chance noch in einen Bus, ein Micro oder ein Tuk-Tuk reinzupassen. So ein Mist. Und das, nachdem wir uns schon den ganzen Tag die Füsse plattgelaufen haben.
Wir warten 20 Min an der Bushaltestelle, dann laufen wir notgedrungen nach Hause. Für die ganze Strecke braucht man ca. 1 Stunde. Immer wieder versuchen wir ein Tuk-Tuk anzuhalten. Aber alle sind brechend voll. Nach einer gefühlten Ewigkeit haben wir Glück. Eines nimmt uns mit und hat auch noch einigermaßen Platz für uns. Aber unser Glück hält nicht lange. Nach wenigen Metern gibt es einen ohrenbetäubenden Knall und viel Qualm. Ein Reifen ist geplatzt. Also alle raus. Und weiter geht es zu Fuss durch die Dunkelheit (natürlich ist gerade Stromausfall und es ist wirklich finster).
Zu Hause angekommen gibt es erst mal was zu Essen und dann den Bericht vom Treffen mit den Cap Nepal Leuten. Der Termin lief sehr gut. Sie werden uns in allem unterstützen. Haben auch schon direkt ihre Erfahrungen und Herausforderungen geteilt. Qualität sei unvorstellbar wichtig bei den Ausländern, die Nähte müssten echt gerade sein und am Besten sei es, wenn das auch jemand kontrolliert. Na schön, dass das ausser mir noch jemand sagt. Der zweite wichtige Punkt ist das Design. Aber das wissen wir ja auch schon. Ausserdem ist es ein permanentes Problem genug Näherinnen zu haben. Sobald sie die Qualifikationen erworben haben, machen sich viele damit Selbständig. Mann muss also ständig einen Pool von Näherinnen haben und permanent neue Leute trainieren.
Und dann der Hammer: Am Montag fangen die Cap Nepal Leute eine neue 3 monatige Nähausbildung an. Und Goma kann direkt 4 Frauen dorthin schicken. Perfekt!
Morgen findet ein weiteres Treffen mit der Vorarbeiterin statt um alle restlichen Informationen zu bekommen. Auch werden sie uns beim Design für unsere ersten Taschen helfen. Es bleibt also spannend.
Und während wir das alles hier in Nepal erlebt haben, war das Berliner Büro extrem fleissig. Aus meinem Input für die Social Experience Tour haben Oliver und Josef einen supertollen Flyer gebastelt. Die Jungs sind schon zu gut! Nach dem genialen Logo für die Taschen kommt Gokul jetzt mit jeder Menge mehr Ideen, wofür er noch Logos oder Flyer braucht ;-). Kriegen wir alles hin, sagt Oliver, als wir abends lange skypen. Er ist mindestens genauso aufgeregt und in die Projekte involviert wie ich.
Aber auch von anderer Seite bekomme ich viel Unterstützung. So hat Tanja den Text für die Betterplace Kampagne komplett redigiert und auch von allen Kommafehlern befreit. Ausserdem arbeitet sie daran, uns mit unseren Aktivitäten in die Berliner Morgenpost zu bringen. Und ständig treffen neue Produktideen und tolle Hinweise und Kontakte hier ein.
VIELEN DANKE AN EUCH ALLE DAFÜR!!!